Bangkok Tattoo
machen.«
Nachdenkliches Nicken: »Ja, könnten wir.«
Der Princess Club befindet sich in einer kleinen soi, in der sich die Menschen drängen. Wir müssen uns an großen Westlerkörpern vorbeischieben, um in die übervolle Bar zu gelangen. Der hart-dümmliche Gesichtsausdruck der Mamasan für die Kunden ändert sich sofort, als sie Vikorn sieht. Der Colonel ist nicht nur unvorstellbar reich und Inhaber dieses Clubs, sondern auch ihr Lehensherr, der in einer komplexen, das Finanzielle übersteigenden Beziehung sie, ihre alte Mutter und ihren Teenagersohn mit Nahrung, einem Dach über dem Kopf und Würde versorgt. (Auch wenn sie sich aus dem Berufsleben zurückgezogen hat, wird er sich noch um ihr Essen und ihren Stolz kümmern – die Abmachung ist wechselseitig.) Sie grüßt ihn mit einem wai und deutet einen kleinen Knicks an; er bedenkt sie mit einem Nicken und einem Lächeln.
Ob die Mädchen in einem Club oben ohne (oder nackt) tanzen dürfen, hängt von der Laune des für die betreffende Straße zuständigen Polizei-Colonel ab. Das hier ist nicht Vikorns Revier, doch keiner wird es wagen, sich in seine Angelegenheiten einzumischen, also tanzen die Mädchen alle barbusig. Sie machen sich nicht die Mühe, BHs anzuziehen, wenn sie sich unters Volk mischen, aber trotzdem scheinen sie nie die Kontrolle zu verlieren. Merkwürdig, daß diese wild anmutenden jungen farangs, die mit ihren Tätowierungen, Piercings und Alkoholfahnen wohl gerade von der Eroberung Roms zurückgekehrt sind, es nicht wagen, diese ach so verführerischen, vor ihrer Nase vorbeischwingenden Brüste zu berühren – jedenfalls nicht ohne Erlaubnis der Besitzerinnen, die sich durch ein paar Drinks erkaufen läßt.
Die Mamasan deutet nach oben, und wir bahnen uns einen Weg durch die wilden Horden ans andere Ende der Bar, wo wir zwei Treppen zu einem Empfangszimmer hinaufgehen, in dem Vikorns Abendessen angerichtet ist. Dort lassen wir uns im Schneidersitz auf dem Boden nieder, wie wir es beide als Kinder gelernt haben, an einem niedrigen, bankähnlichen Tisch, der sich unter allerlei Köstlichkeiten biegt: yam met ma-muang himaphaan (Yamswurzel mit Cashewnüssen), naam phrik num (ein nördliches Gericht mit Chili-Auberginen-Dip), miang kham (bestehend aus Ingwer, Schalotten, Erdnüssen, Kokosnußflocken, Limone und getrockneten Shrimps), Mekong-Whiskey mit chut (Eis, Limonenhälften und Softdrink freier Wahl) und phat phet (würzig Angebratenes).
Wir sitzen kaum, als sich schon zwei der Tänzerinnen, die jetzt T-Shirt und BH tragen, erkundigen, was wir abgesehen vom Mekong-Whiskey trinken wollen. Vikorn bestellt Bier und hinterher einen kühlen neuseeländischen Weißwein. (Daran bin ich schuld. Ich habe ihn vor ein paar Jahren auf den Weingeschmack gebracht, und jetzt mag er sein kaeng khiaw-waan nicht mehr ohne.) Zwischen zwei Bissen frage ich ihn, ob er eine Ahnung hat, wie Mitch Turner denn nun zu Tode gekommen ist.
Er sieht mich an, als wäre ich besonders schwer von Begriff. »Was macht es schon, wie er gestorben ist? Wir haben es hier mit Theater, nicht mit der Realität, zu tun. Die farangs haben sich von der Realität verabschiedet, als sie die Demokratie erfanden und eine Prise Fernsehen dazugaben. Es zählt einzig und allein, was wir der Welt sagen. Wenn wir’s geschickt anstellen, leben wir glücklich und zufrieden bis in alle Ewigkeit. Wenn nicht …« Er breitet die Hände aus, um anzudeuten, wie tragisch unberechenbar das Dasein für Nichtmanipulierer sein kann. Dann servieren die Mädchen sein grünes Curry mit Extrachili, Wein in einem Plastikeiskübel, kurz angebratenes Gemüse, tom yam, Chinakohl, würzigen Entenfleischsalat und zerkleinertes kai yaang (Grillhähnchen).
»Und wie stellen wir es richtig an?« frage ich, in meine Schranken gewiesen, ein wenig irritiert, aber gleichzeitig das Festessen genießend.
Er macht mit der Linken eine Geste, die man als obszön interpretieren könnte, wenn man ihre ländliche Herkunft nicht kennt. Was er damit andeuten möchte, ist das Kitzeln eines Fischs – als Junge liebte er das Angeln mit der Hand. Dieser Sport erfordert unglaubliche Geduld – dem Fisch überhaupt so nahe zu kommen, daß man ihn am Bauch kitzeln kann, ist eine Kunst –, und nur, wer kühlen Kopf bewahrt, schafft es, ihn in Sicherheit zu wiegen und erst nach einer Weile zu packen. Man braucht dazu ein Herz, das so kalt ist wie das eines Fischs.
»Was soll ich machen?«
»Konzentrier dich einfach nur.
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