Bangkok Tattoo
mich doch tatsächlich darüber, daß er Zinna gegenüber nicht klein beigibt, auch wenn mir die Beförderung durch die Lappen geht (von den hunderttausend Dollar ganz zu schweigen). Allerdings soll Vikorn mir nicht ungeschoren davonkommen; schließlich muß ich eine Riesenenttäuschung verdauen. Ich sehe zum Fenster des Bentley hinaus, während wir die Rama IV entlangbrausen. »Einen Augenblick hatte ich schon Angst, Sie würden alt.«
Er bedenkt mich mit einem verächtlichen Blick. »Das ist deiner Meinung nach also alles, was dahintersteckt? Eine primitive Vendetta zweier alter Männer?« Er beugt sich zu mir herüber, um mir seine Faust in den Bauch zu bohren.
»Ich versuche Zinna nicht nur Ravis wegen im Zaum zu halten. Mir geht’s auch um unser Land. Wenn die Armee die Kontrolle über den Drogenhandel erlangt wie damals beim Opium, werden die Generäle reich. Und reiche Generäle leiden unter Größenwahn und inszenieren Putsche. Dann haben wir im Handumdrehen wieder eine Militärdiktatur. Was wissen thailändische Generäle schon über die Weltwirtschaft, über Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung der Frauen oder das einundzwanzigste Jahrhundert ganz allgemein? Führ dir das vor Augen, wenn du das nächste Mal in einer halbwegs demokratischen Wahl deine Stimme abgibst. Vielleicht ist die thailändische Polizei nicht die beste der Welt, doch von der Armee unterscheiden wir uns deutlich. Unter uns sind freie Wahlen möglich. Ein farang würde das nicht verstehen, aber von dir erwarte ich mehr.«
Er ist noch nicht fertig, bearbeitet weiter meinen Bauch.
»Wer weiß? Mit einer Demokratie könnte dieses Land aufblühen und sich eines kultivierten Mannes von deinem Kaliber als würdig erweisen. Aber dann habt ihr das Scheißkerlen wie mir zu verdanken, die die Militärschweine vom Futtertrog ferngehalten haben, nicht irgendeinem verkannten Mönch, dem es gelungen ist, ein paar Straßenköter zu retten.«
Ich schüttle erstaunt den Kopf. Er weiß immer eine Antwort. Besonders das Wort »verkannt« ärgert mich; es vermittelt genau das Quantum an Arroganz, die ich für gewöhnlich an den Tag lege, wenn ich ihn ärgern möchte.
Ich grüble eine ganze Weile vor mich hin, bis sein Fahrer kurz vor Pat Pong, unserem altehrwürdigsten und berühmtesten Rotlichtbezirk, anhält, weil er um diese Nachtzeit mit dem Wagen nicht durch die belebten Straßen kommt. Vikorn und ich steigen aus, sein Chauffeur fährt den Bentley weg. Der Colonel trägt Zivil und sieht aus wie ein ganz normaler Thai, vielleicht ein bißchen klein geraten nach westlichem Standard und somit ununterscheidbar von all den anderen Thai-Männern mittleren Alters, die in diesem Viertel unterwegs sind, praktisch alle Zuhälter. Vikorn scheint es nicht als Angriff auf sein Ego aufzufassen, als ein junger weißer Tourist in ärmellosem Unterhemd und Shorts, mit Nasenstecker und Augenbrauenpiercing, ihn fragt, wo die Ping-Pong-Show ist. Der Colonel deutet mit einem lüsternen Lächeln auf ein kleines Schild an einem Balkon: Mädchen, Dirty Dancing, Ping-Pong, Bananas … »Wunderbar«, sagt der junge farang und äfft Vikorns Lächeln nach.
»Ficki, ficki«, sagt Vikorn mit einem dümmlichen Grinsen.
Auf der Straße wimmelt es von Menschen, nicht nur von geilen weißen Männern, sondern auch von gierigen weißen Frauen, weil an den Ständen dieses Viertels die besten Designer-Imitate Asiens zu kriegen sind. Wenn man den Schleier herkömmlicher Moral lüftet und das Treiben mit den Augen des Meditierenden betrachtet, stellt man fest, daß der Gesichtsausdruck der Frauen sich gar nicht so sehr von dem der Männer unterscheidet: »Zweihundert Baht für eine Tommy-Bahama-Jeans – das sind kaum mehr als drei Pfund.« Und mit hervortretenden Augen: »In Stoke Newington kriegst du dafür nicht mal ’nen Gin-Tonic.«
»Siehst du die Rolex da? Der Sekundenzeiger läuft ohne Stolpern, genau wie beim Original. Für läppische zehn Pfund.«
Mit einem Funkeln in den Augen: »Wir könnten ein paar davon kaufen und zu Hause wieder verkaufen. Selbst für hundert Pfund das Stück wären die dort noch billig.«
»Sagen wir den Käufern, daß sie unecht sind?«
Nachdenklich: »Müssen wir wohl, schließlich wissen alle, daß wir hier in Thailand waren.«
»Aber sie haben keine Ahnung, wieviel das Zeug in Pat Pong kostet, oder? Ich meine, wir könnten die Dinger ja für neunzig Pfund gekauft haben und bloß einen Gewinn von zehn Prozent
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