Bangkok Tattoo
Beweis für die Erleuchtung, als daß der Mann mit dem Universum zu seinen Füßen sich das Dreifingerfaultier als Vorbild wählte? Wenn er sein Ego so vollkommen auslöschen konnte, warum will es mir nicht gelingen?
Mit anderen Worten: Urplötzlich meine ich, von meiner Befleckung durch den Ehrgeiz befreit zu sein. Ich habe das ganze Wochenende daran gearbeitet, mich in einen Zustand der Gelassenheit meditiert, bin, solange es ging, im Meer ohne Ufer geschwommen – und habe ein paar Joints geraucht. Es war mühsam, aber ich habe es geschafft. Nein, jetzt möchte ich keine Beförderung mehr und auch nicht die hunderttausend Dollar; soll sie sie doch kriegen (die blöde Kuh). Wenn sie ihre Seele beflecken will, indem sie Vikorns schmutzigen (und ziemlich irrationalen) Rachefeldzug unterstützt, meinetwegen. Aber sie soll sich in acht nehmen; das Karma vergißt nicht. Im nächsten Leben wird Lieutenant Manhatsirikit mein Lieblingsgoldfisch sein. (Es schmerzt immer noch, daß sie ihm näher steht – und schlauer ist – als ich: Wie sieht Plan C wohl aus?)
Da ich, als ich wieder im Club bin, nichts Besseres zu tun habe, rufe ich endlich Fatima an.
Ihre Stimme dringt lasziv aus dem Hörer: »Schätzchen, du hast ja seit einer Ewigkeit nichts mehr von dir hören lassen.«
»Tut mir leid.«
»Ich dachte schon, du schämst dich meinetwegen.«
»Ach was. Du spielst in einer völlig anderen Klasse als ich. Eigentlich habe ich eher Angst vor dir.«
»Lüg mich nicht an, Schätzchen. Du hast vor nichts Angst. Aber du willst doch was von mir, oder?«
Ich erkläre ihr die Sache mit Lek. Ihr kurzes Zögern freut mich. »Eine Ältere Schwester? Ich? Weißt du, das habe ich noch nie für jemanden getan. Und ich wollte es auch nicht. Das ist ein steiniger Pfad.« Dann, kichernd: »Na schön, ich mach’s, aber nur, wenn du mich anbettelst. Auf Knien und als Frau gekleidet.«
»Ich kann nicht darum betteln, weil ich nicht weiß, ob es richtig ist oder nicht.«
»Schätzchen, nun red nicht wie ein farang. Es gibt kein Richtig oder Falsch – entweder es steckt in dem guten Lek oder nicht. Wenn ja, und es hört sich ganz danach an, könnte selbst eine Armee ihn nicht aufhalten. Bring ihn zu mir. Ich werde wissen, was zu tun ist, sobald ich ihn sehe.«
»Wann?«
»Jetzt.«
»Aber es ist nach Mitternacht.«
»Gibt’s eine bessere Zeit?«
Ich rufe Lek an, dem es vor Hochachtung, Aufregung und Angst die Sprache verschlägt. Wir fahren mit einem Taxi zur Soi 39, wo Fatima eine dreistöckige Penthouse-Wohnung in einer der prestigeträchtigsten Anlagen der Stadt ihr eigen nennt. Auf dem Weg zu ihr sehe ich Lek so, wie Fatima ihn sehen wird: Er ist einfach zu schön für diese Welt.
Fatima wurde als unehelicher Sohn eines Karen-Barmädchens und eines schwarzen GI geboren, weswegen sie großgewachsen und schokoladenbraun ist. Ihren Vater lernte sie nie kennen. Sie sieht wie immer atemberaubend aus in ihrem Lieblingskimono (purpurrot mit großer weißer Schleife), mit ihrem schmalen, tragisch anmutenden Gesicht, dem Waschbrettbauch, den langen manikürten Fingern, dem dick aufgetragenen Mascara und den Augen, die die Abgründe der Verzweiflung kennen. Sie steht an der Tür, eine Armeslänge von Lek entfernt. Mich nimmt sie kaum wahr. Wie soll ich dem spirituell Blinden die Außerordentlichkeit des Ereignisses erklären, als Leks Schutzgeist diese alte Seele erkennt? Fatima stützt sich am Türrahmen ab, hinter ihr werden allerlei seltene Kunstgegenstände sichtbar, die meisten wertvolle Jadestücke auf Podesten, noch ein Stück weiter entfernt ein riesiges Panoramafenster mit Aussicht auf die Stadt und den gelben Mond.
»O Buddha«, sagt sie, Leks Hand haltend. Ich hüstle.
»Du kannst uns jetzt allein lassen«, flüstert sie heiser, ohne den Blick von Lek zu wenden.
Als ich wieder in meinem Wohnloch bin, kann ich nicht schlafen. Ich habe mein ganzes Leben im heterosexuellen Zweig des Gewerbes verbracht und dort alle Spielarten des Umgangs zwischen Männern und Frauen erlebt – aber keine reicht an die Eindringlichkeit eines katoy heran. Ich will mir keine Gedanken mehr über Lek machen oder darüber, was Fatima mit ihm anstellen wird. Er muß sich künftig an den komplexen Regeln seiner neuen Welt orientieren. Im Vergleich dazu erscheint mir der Mord an Mitch Turner fast schon banal, wenn auch faszinierend. Ich hole den dicken Stapel DIN-A-4-Papier heraus, den ich aus Songai Kolok mitgebracht habe, und lese Chanyas
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