Bangkok Tattoo
Thanee begleiten kann, ohne daß sie von den Amerikanern mit einem Stirnrunzeln bedacht wird. Chanya erhält Einladungen zu Thanees Soireen mit rein asiatischer Beteiligung. Sie werden nicht zusammenwohnen, und Chanya wird Thanees Penthouse-Apartment diskret betreten und verlassen. Thanee muß ihr einen Schlüssel geben, um ihr diese Diskretion zu erleichtern. Chanya wird sich dafür ausschließlich Thanee widmen und keine anderen Kunden mehr annehmen. Damit ist das Gesundheitsrisiko minimiert, über das Khun Toi sich schon seit geraumer Zeit Sorgen macht. Nicht, daß sie und Thanee noch allzuoft miteinander schliefen, aber sie möchte nicht, daß er krank wird und vielleicht stirbt.
»Dann würden drei Viertel meines Geldes an meine Eltern gehen«, erklärt Thanee Chanya in Khun Tois Gegenwart, und alle lachen, ganz nach Thai-Art.
Chanya denkt, vielleicht erregt es Khun Toi, wenn sie die schmutzigen Ficks ihres Mannes organisiert. Ich konnte sie riechen, als sie mich heute abend umarmt hat. Sie verführt ihn, während ich das hier schreibe. Sie wird ihm entlocken, wie Chanya im Bett ist, was ich für ihn mache. Tja, Schätzchen, einfach alles.
Anfangs ist Thanee noch zu vorsichtig, um Chanya viel über sein Berufsleben zu verraten, und das, was sie erfährt, stammt meist aus Unterhaltungen zwischen ihrem neuen Lover und dessen Thai-Freunden. Doch obwohl sie die Schule mit zwölf verlassen und nie einen Gedanken auf geopolitiche Fragen verschwendet hat, begreift Chanya schnell. Sie reagiert erstaunt und fast ein bißchen bestürzt auf Thanees inoffizielle Einschätzung von Saharat Amerika, in das sie mit soviel Mühe gelangt ist. Nach Meinung von Thanee und seinen chinesischen Freunden sind die einzige Supermacht der Welt und ihre Wirtschaft veraltet, unflexibel, zu steuerlastig, staatsgelenkt, waffenstarrend und engstirnig für echte Expansion. Das moderne China hingegen ist eine junge Nation, die 1949 das Licht der Welt erblickte und gerade erst in das große Zeitalter der Räuberbarone und wagemutigen Unternehmer eintritt. Dieses Land besitzt genau die richtige Mischung aus Korruption, Recht und Ordnung, die es den stärksten und einsatzfreudigsten Geschäftsleuten ermöglicht, die Bürokratie zu umgehen, während der normale Bürger durch sie in Schach gehalten wird. Ein bißchen erinnert das an das Goldene Zeitalter der Rockefellers, von Joseph Kennedy und Al Capone. Außerdem liegt China nicht weit von Thailand entfernt. Wenn die gegenwärtige Phase des Straßenbaus in Laos beendet ist, wird es direkte Landverbindungen von Peking und Schanghai nach Bangkok geben, schwärmen Thanee und seine engsten chinesischen und thailändischen Geschäftsfreunde. China besitzt bereits die Vormachtstellung in der südostasiatischen Ökonomie. In zwanzig Jahren wird seine Wirtschaft zur stärksten der Welt aufgestiegen und das Land zum wichtigsten Handelspartner Thailands geworden sein. Mit zwei Milliarden geborenen Kapitalisten ist sein Expansionspotential unermeßlich.
Chanya, die die unterschwellige Botschaft versteht, erkennt voller Traurigkeit, daß sie Thanees letzter Luxus in Washington ist. Und er merkt, daß sie begreift. Vielleicht hat er es darauf angelegt, daß sie bestimmte Gespräche mitbekommt – listig genug ist er.
Karriereplanung erfordert Weitblick und bringt bei Asiaten jede Menge Essenseinladungen mit sich. Fast jeden Abend ist er im Smoking unterwegs. Es gibt nur wenige Ereignisse, zu denen er sie mitnehmen kann; nichtsdestotrotz kauft er ihr drei Abendkleider. Mit dem glänzenden, in Zöpfen hochgesteckten schwarzen Haar, der funkelnden, von ihm bezahlten Goldkette auf der braunen Haut und den großen goldgefaßten einzelnen Perlen in den Ohren raubt sie allen den Atem. Ihr ist klar, daß etliche Chinesen und Thais sie nach Thanees Abreise gern erben würden. Und so hätte es auch kommen können, wäre da nicht Thanees denkwürdiger Schachzug gewesen.
Chanya wird sich wohl ihr Leben lang fragen, warum Thanee ihr den farang vorstellte. Eine ganze Weile bleibt der muskulöse und eher unattraktive Mann für sie nur der farang, vielleicht weil sie seit dem Beginn ihrer Beziehung mit Thanee kaum noch Weiße kennengelernt hat. Warum lud Thanee sie zum Essen mit dem farang ins 7-Duck an der Massachusetts Avenue ein (Korbstühle und Kissen überall; die penne mit Meeresfrüchten wären mit mehr Chili um einiges besser gewesen), genau an dem Tag, an dem er ihr eröffnete, daß er nach Peking
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