Bangkok Tattoo
Leben einfach nicht. Obwohl sie mit einigen der Freier lachen kann, vermißt sie diesen Spaß, denn die Mexikanerinnen haben mittlerweile einen mörderischen Haß auf sie entwickelt. Der Boß bemerkt auch das und gibt Chanya zu verstehen, daß sie sich absetzen soll, sobald die drei Monate vorbei sind – die anderen Frauen besitzen Kontakte zu ziemlich finsteren Gestalten, und in El Paso ist alles möglich. Vielleicht möchte sie sogar früher verschwinden; er erhöht ihren Stundenlohn noch einmal. Nach einer Rekordzeit von zwei Monaten ist sie frei.
Las Vegas ist der richtige Ort für eine Frau wie sie, das wußte sie schon in Bangkok. Als sie die Stadt vom Greyhoundbus aus zum erstenmal sieht, spürt sie sofort die Schwingungen. Dank ihrer Beziehungen zur amerikanischen Thai-Mafia fällt es ihr nicht schwer, sich einen Job bei der größten Agentur der Stadt zu angeln, die nach amerikanischem Stil sogar ein Einführungsseminar durchführt. Chanya sitzt mit etwa fünfzig anderen jungen Frauen, die meisten von ihnen nicht aus dem Westen, im Konferenzraum eines großen Hotels.
Sie hat schon oft die Bezeichnung »Industrie« für die Prostitution gehört, aber noch nie erlebt, daß sie tatsächlich so behandelt worden wäre. Die Platinblonde, die die frisch Rekrutierten einweist, ist ein Meisterwerk moderner Chirurgenkunst: Busenvergrößerung, Fettabsaugung am Bauch, Nasenkorrektur, Gesichtslifting – einfach alles. Doch sie hat die Vierzig überschritten und somit ihre aktive Zeit längst hinter sich. Ihr Geld verdient sie sich nun im Personalmanagement. Keine Operation könnte jedoch etwas an ihrer Stimme ändern, die hart und rauh klingt: »Die Regeln lauten folgendermaßen, und zwar in der Reihenfolge, die ich euch nennen werde. Ich will nicht hören, daß eine von euch diese Regeln durcheinanderbringt: Wenn es euch also schwerfällt, euch etwas zu merken, oder euer Englisch nicht so gut ist: Schreibt sie auf. Dafür sind das Papier und der Stift auf allen Tischen.«
1. Der Kunde trifft in Las Vegas ein. Er hat von unserer Agentur gehört und fragt den Taxifahrer während des Transfers vom Flughafen, wie er uns erreichen kann.
2. Der Taxifahrer hat eine unserer Visitenkarten wie diese hier. (Auf der einen Seite ist in grellbunten Farben eine Asiatin mit riesigen nackten Brüsten abgebildet, auf der anderen steht die Telefonnummer.) Euch fällt vielleicht auf, daß die Karte eine Codenummer hat. Auf jeder befindet sich eine andere.
3. Der Kunde wählt die Nummer und gibt den Code auf der Karte an. Das hilft sicherzustellen, daß es sich tatsächlich um einen Kunden, nicht um einen Polizisten handelt. Es bedeutet auch, daß der Taxifahrer einen Anteil erhält.
4. Der Kunde nennt seine Vorlieben, z.B. Rasse, Brustumfang, Größe, nur Fellatio, Befriedigung mit der Hand, Vaginalverkehr, Analverkehr, Besonderheiten, alle erwähnten Leistungen.
5. Hoteladresse und Zimmernummer des Kunden werden notiert, damit wir ihn zurückrufen können, um festzustellen, ob er sich tatsächlich dort aufhält.
6. Wenn er ist, wo er zu sein behauptet, wird ihm der Preis genannt, und er erhält im Regelfall die Auskunft, daß das Mädchen in zwanzig Minuten bei ihm sein wird.
7. Die Frau wird über Handy informiert, wo sie sich einfinden soll. Sie weist ihrerseits einen der Bodyguards an, sich im Foyer des Kundenhotels mit ihr zu treffen. Das ist ein wichtiger Punkt. Ihr geht nicht ins Zimmer des Kunden und ruft ihn auch nicht an, ohne den Wachmann informiert zu haben. Seine Handynummer speichert ihr in eurem eigenen Mobiltelefon. Wenn es ein Problem geben sollte, müßt ihr nur einen Knopf drücken, und der Aufpasser kommt sofort rauf ins Zimmer.
8. Ihr nehmt Kontakt mit dem Bodyguard auf und sagt dann dem Kunden übers Hoteltelefon, daß er sich unten mit euch treffen soll. Ihr geht nicht sofort zu ihm ins Zimmer.
9. Der Kunde beschreibt euch seine Kleidung. Sobald er auftaucht, überprüft ihr ihn zusammen mit dem Leibwächter, den der Kunde aber nicht sehen darf. Dann geht ihr auf ihn zu, nennt ihn »Schatz« oder »Süßer«, verwendet aber keine anderen Koseworte.
10. Der Kunde nimmt euch mit in sein Zimmer. Jetzt ist die Grundgebühr von zweihundert Dollar fällig. Ihr rührt ihn nicht an, bevor ihr das Geld nicht in der Tasche habt.
11. Nun sagt ihr ihm, er soll seinen Schwanz rausholen. Das ist wichtig, denn wenn es sich um einen verdeckten Ermittler handelt, macht er das nicht. Wenn er sich weigert,
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