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Bangkok Tattoo

Bangkok Tattoo

Titel: Bangkok Tattoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Stimmung befindet, verstößt sie gegen ihre eigenen Regeln und stellt Mitch zur Rede: »Mitch, sag mir einmal die Wahrheit: War dein Vater Senator, hat er deine Familie früh im Stich gelassen, oder ist er bei einer Massenkarambolage gestorben, als du zwölf warst?«
    Seine Geistesgegenwart ist bemerkenswert: »Es stimmt alles. Der Mann, den ich meinen Vater nenne, war in Wahrheit mein Stiefvater. Meine Mutter hat ihn geheiratet, nachdem Dad abgehauen ist. Dad hat sich wirklich aus dem Staub gemacht, und er ist auch wirklich in einer Massenkarambolage gestorben, als ich zwölf war – zu dem Zeitpunkt hatten wir ihn acht Jahre nicht mehr gesehen.«
    »Und deine Mom: Baptistin aus Texas oder Katholikin aus Chicago?«
    »Mom? Beides. Sie kam als Katholikin in Chicago zur Welt, aber bei der Heirat mit dem Senator ist sie konvertiert. Das war seine einzige Bedingung – schließlich verhalf er ihr durch diese Ehe zu einem rasanten gesellschaftlichen Aufstieg.«
    »Und deine geliebte Schwester Alice?«
    Turners Gesicht verdüstert sich kurz, bevor er das Thema wechselt. »Du willst wissen, wie meine Kindheit war? Sie war die Hölle, eine geplante Hölle. Warum interessiert dich das? Du weißt doch, daß mich das aus der Fassung bringt.«
    »Okay, okay. Warum hast du Japanisch studiert?«
    Er runzelt die Stirn und antwortet eine ganze Weile nicht, vermutlich, weil er wieder mit einem seiner sehr westlichen Dämonen ringt. »Ein Weltkriegsveteran hat mich mit japanischer Pornographie bekannt gemacht.« Ihr bleibt vor Überraschung die Luft weg. Er führt die Geschichte aus.
    Die Japaner sind dem Westen in dieser wichtigen Branche seit jeher voraus, und Mitch Turner war, dem Veteranen sei Dank, bereits mit dreizehn ein Kenner des Genres. Sein bester Freund und er besaßen fast so etwas wie eine Bibliothek mit Versandmagazinen aus aller Welt. Die beiden benötigten einen Monat intensiver Recherche, um empirisch den gewaltigen Vorsprung der japanischen Pornoindustrie zu bestätigen. Man konnte beinahe die Haut der Frauen spüren und ihr Stöhnen hören, wenn man so ein Heft aufschlug. Und bei den Videos war der Qualitätsunterschied noch größer. Die künstlerischen Tätowierungen, die höchst einfallsreichen, dem westlichen Schulmädchenklischee weit überlegenen Inszenierungen und die Bandbreite des Sado-Maso-Angebots zeigten deutlich, warum die Japaner so erfolgreich waren. Turner sah zahllose Futons mit nackten tätowierten Mädchen von Fukuoka bis Sapporo.
    »Und warum hast du dich für den Job entschieden, den du jetzt machst?«
    Plötzlich grinst Mitch Turner: »Die wollten Agenten, die fließend Japanisch sprechen. Damals befürchtete man japanische Industriespionage bei einem von der Regierung gesponserten Programm. Prüfungen fallen mir nicht schwer, also hab ich sie alle bestanden.« Mit herablassendem Lächeln fügt er hinzu: »Ich besitze ein fotografisches Gedächtnis und einen IQ von hundertfünfundsechzig – das ist der Geniebereich.«
    »Das heißt, du kannst dir jede Persönlichkeit aneignen?« Ihr ist klar, daß er diese Frage möglicherweise als Provokation auffaßt. Sie beobachtet genau, wie er mit seiner Verwirrung umgeht und sich schließlich für eine neue Taktik entscheidet. Mit einem überzeugenden Lächeln sagt er: »Weißt du, ich glaube nicht, daß ich jetzt, wo ich dich gefunden habe, jemals mehr ohne dich leben könnte. Du bist die einzige Frau der Welt, die mich versteht.«
    Doch mittlerweile läßt die Wirkung des Alkohols nach, und Mitch Turners Metamorphose verkehrt sich in ihr Gegenteil; bald schon werden Schuld und Verantwortungsbewußtsein wieder die Oberhand gewinnen. Chanya glaubt, Zeit für eine letzte harmlose Frage zu haben: »Das heißt, daß du in Japan bis zum Umfallen gebumst hast?«
    Zu spät – seine Schutzhülle umgibt ihn wieder wie eine Rostschicht, die seinen bizarren Kern vor weiterer Oxydation bewahrt. »Nein.«
    »Warum nicht?«
    Ein Achselzucken, in dem plötzlich ziemlich viel Verachtung, ja Ekel liegt. »In der kurzen Zeit, die uns hier auf Erden gegeben ist, gibt es Wichtigeres zu tun, Chanya. Ich hoffe, du wirst das eines Tages begreifen. Es wäre schön, wenn du die Bibel lesen würdest, die ich dir geschenkt habe. Wieviel schulde ich dir für die heutige Massage?«
    Inzwischen kennt sie dieses Ritual. Am Ende einer jeden Sitzung, sogar, wenn sie die Nacht miteinander verbracht haben, tut er plötzlich so, als hätte er sie für eine einfache Massage ohne Sex

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