Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker
dazu die gesamten Buchhaltungsunterlagen, Briefwechsel, Echtnamen, Adressen, Überweisungswege, alles weg, alles in den Händen der Raubritter des deutschen Fiskus. Der GAU, das Ende der Welt, Rysch wunderte sich, wieso das fürstliche Schloss immer noch so ungerührt am Berghang klebte und nicht mit lautem Getöse ins Tal hinunterkrachte.
Aber immerhin, endlich blinkte das Telefon und riss ihn aus trüben Gedanken, »Fürschtliche Effektenbank, Rysch«, sprach er mit dem schweren Schweizer Akzent in den Hörer, der normalerweise sofort Sympathie schaffte. Dieses Naturgesetz ist unzerstörbar, dachte Rysch, den nächsten Dummen gibt es immer.
Neununddreißig
»Ist denn der Depotauszug nicht selbsterklärend, Herr Blumer?«, fragte Äbersold scheinheilig, »wir weisen im Gegensatz zu einigen Mitbewerben sogar alle unsere administrativen Unkosten für die aktive Bewirtschaftung Ihres komfortablen Portefeuilles detailliert aus. Aber natürlich nehme ich mir gerne auch persönlich Zeit für Sie, Herr Blumer, ich könnte Ihnen da ein Zeitfenster, Moment mal bitte« – Äbersold rief seinen Terminkalender auf dem zweiten Bildschirm auf. Oh, das sah nicht gut aus, am Freitag hatte er Anprobe in der Savile Row in London, am Donnerstag hatte er endlich den Termin beim neuen Golfchamp im Club, Mittwoch war ganz zu, zuerst Vorstandssitzung der Offiziersgesellschaft, anschließend der Rotary-Lunch, am Nachmittag Treffen der Ehemaligen der HSG, dann Work-out, das konnte er nicht streichen, denn auch bei ihm forderte die Finanzkrise persönliche Opfer, seine Fitnesslektionen hatte er schon auf nur zweimal pro Woche zusammengestrichen, und am Abend war Kiwanis.
Mühsam, diese ganzen Blumers, über Jahre hinweg hatten sie die netten Profite klaglos eingesteckt, und jetzt gab es mal einen kleinen Rückschlag, läppische fünf Prozent, das machte bei Blumer ganze zwei Tonnen, lachhaft. Im vergangenen Monat hatten sich in Schweizer Depots immerhin über dreihundert Milliarden in Luft aufgelöst, da gab es keinen Grund für Blumer, zu hyperventilieren.
»Also, Herr Blumer, ich könnte Ihnen nächsten Dienstag um acht Uhr dreißig gleich den ersten Termin des Tages anbieten, vorher habe ich noch das daily Meeting, die neusten Updates, Sie verstehen.« Äbersold musste Blumer ja nicht auf die Nase binden, dass er in Wirklichkeit sein daily Meeting im Sprüngli hatte, ein Truffe-Brioche, eine Schale und die »NZZ«, da stand schließlich genug drin, um den Tag durchzustehen.
»Wie bitte, ein Notfall, bei Ihnen sei Feuer im Depot? Das muss mir aber entgangen sein, Herr Blumer, wir schlagen die Benchmark des Marktes immer noch um eins Komma fünf Prozent, man muss da auch mal das Positive sehen, und jetzt ist nicht der Moment für Hektik, lieber Herr Blumer, ich bin überzeugt, dass die ergriffenen Maßnahmen schon in absehbarer Zeit …« Äbersold hielt den Hörer indigniert vom Ohr weg. Haben diese Dummköpfe denn das Gefühl, die Börse sei eine Einbahnstraße?, seufzte er. Na ja, kicherte er dann, den Eindruck haben wir ihnen ja vermittelt, aber wer macht schon den Fehler, einem Banker ein Wort zu glauben?
Blumer musste mal Luft holen, und Äbersold benützte den Moment, um das Argument einzuspeisen, das eigentlich immer zog: »Sie sollten nicht den momentanen Eindruck verabsolutieren. Unsere Analystenteams, die weltweit rund um die Uhr die Marktentwicklung beobachten, sind der festen Überzeugung, dass der innere Wert, das Potenzial der Anlagen, in die Sie investiert sind, mittelfristig gesehen fantastische Perspektiven bietet. Bei den aktuellen Verwerfungen müssen ja auch Anlagen leiden, die im Gegensatz zu wirklich bedenklichen Investitionen kerngesund sind. Ich kann Ihnen versichern, dass meiner Meinung nach in Ihrem Portefeuille nur erstklassige Aktien enthalten sind, machen Sie sich schon mal auf ein Kursfeuerwerk gefasst, wenn die bedauerliche Missstimmung an den Börsen, wie immer in der Geschichte, ihr Ende findet.«
Äbersold konnte sich den Hörer wieder ans Ohr halten, na also, warum nicht gleich so, dachte er befriedigt, und legte gleich noch eins nach: »Dann darf ich also den Termin am Dienstag canceln, lieber Herr Blumer? Natürlich stets zu Diensten, aber umso mehr Zeit ich für die Betreuung Ihres Depots aufwenden kann, umso besser für Sie, nicht wahr? Nein, Herr Blumer, nichts für ungut, dafür bin ich doch da, das verstehen wir unter persönlicher Kundenbetreuung, einen schönen Tag auch noch.«
Äbersold
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