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Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Titel: Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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nicht äußern, denn ich lese die russische Presse nicht.« Nicht schlecht gegeben, dachte Rysch, aber sein Triumphgefühl verschwand sofort.
    »Sie wollen komisch sein, da? Ich sagen, nix komisch. Sie sagen, Liechtenstein sicher wie Schloss, Sie sagen Liechtenstein diskrät, Sie sagen nix passieren, und jetzt große Scheiße. Sie mir sagen, was Sie tun jetzt, da?«
    »Nun, wenn das so ist, wie Sie sagen, bedauern wir das außerordentlich, aber ich sehe da noch keinen Zusammenhang mit uns, vielleicht sind Ihre Kontounterlagen ja auch von Ihrer Umgebung an die Presse gelangt, und bevor …«
    »Meine Umgäbung, was meine Umgäbung«, unterbrach ihn Iwan, der sicherlich nicht Iwan hieß, »meine Umgäbung still wie ein Grab, wer nicht still, kommt in Grab, Sie verstän?«
    Langsam dämmerte es Rysch, dass sich das Gespräch in eine unangenehme Richtung entwickelte. »Ich persönlich bin hier nur ein Angestellter«, sagte Rysch etwas hektisch, »vielleicht wenden Sie sich mit Ihrem Anliegen doch gleich an unsere Reklamationsabteilung, wenn ich Sie da vielleicht durchstellen dürfte.«
    »Sie nix durchstellen, Sie Rysch, Sie nix auflegen, sonst wir Sie besuchen, Sie verstän?« Rysch perlte der Schweiß von der Stirn, das war ja nicht zu fassen, da saß er im ruhigen Ländle an seinem ruhigen Schreibtisch, in seiner ruhigen Bank, und bislang hatte er gedacht, dass es sein größtes Problem heute sein würde, ob er es noch rechtzeitig vor dem Stoßverkehr nach Hause schaffte, und jetzt das. Russenmafia, drohende Gestalten mit Oberarmen wie Oberschenkel, nach Zwiebeln und Wodka stinkend, bezahlte Killer, übel zugerichtete Leichen mit Folterspuren – alle solche Schreckensbilder schossen Rysch durch den Kopf, einmal zu viel das Telefon abgenommen, und das idyllische Liechtenstein mit Schloss, Treuhändern, Holzchalets und einer Bank neben der anderen verwandelte sich vor seinem inneren Auge in ein Kriegsgebiet, Scharfschützen auf den Dächern, hinter jeder Straßenecke eine dunkle Gestalt, aus jedem vorbeifahrenden Auto konnte eine Schrotflinte auf ihn gerichtet werden. Und dabei tat er doch nur, was ihm aufgetragen worden war.
    »Was soll ich denn Ihrer Meinung nach tun?«, stammelte Rysch, »ich bin doch nur ein Liechtensteiner Banker, der …«
    »Sie zuerst Schnauze halten«, unterbrach ihn Iwan schon wieder, »ich Ihnen dann sagen, was tun: Sie erklären, dass Konto nicht existiert, russische Scheißprässe Scheißfähler gemacht, ganz einfach. Sie mir schicken Brief mit großem Siegel, Stempel und alläm, aber schnäll. Kapiert?« Kapiert schon, dachte Rysch, aber wie soll ich das denn tun, das kann ich doch gar nicht.
    »Sie, Rysch, noch da? Sie machen, Sie sonst nicht mehr da, da?«
    »Ich tue, was ich kann«, sagte Rysch verzweifelt, »verlassen Sie sich auf mich.« – »Ich nix verlassen, ich warte auf Brief. Achtundvierzig Stunden. Sonst …«
    Dem »Liechtensteiner Volksblatt« war es nicht mal eine Meldung wert, das »Vaterland« fand immerhin Platz für drei Zeilen unter Vermischtes, dass ein Angestellter der Liechtensteiner Effektenbank beim Überqueren des Fußgängerstreifens, Fahrerflucht, an der Unfallstelle verschieden. Immerhin hatte Rysch nicht lange leiden müssen.
Dreiundvierzig
    Eigentlich ist es eine Schande, dachte Äbersold. Da haben wir unsere repräsentativen Empfangsräume für Kundengespräche, schön abgestuft. Kunden unter einer Tonne bekamen sie nicht mal zu sehen, sondern wurden am Telefon abgefertigt. Ab einer Tonne gab es die abgespeckte Version, USM, kleiner Schreibblock, höchstens ein Kaffee oder Mineral im Plastikbecher mit Lindt-Schokolade, der Empfang war gehalten, nach maximal einer halben Stunde anzurufen, was dann der Vorwand für den Abbruch der Besprechung war, wenn Äbersold den Kleinanleger nicht schon vorher losgeworden war.
    Ab zehn Tonnen gab es dann bereits die holzgetäfelte Version, echter Perser auf Parkett statt Spannteppich, ein paar dezente Stücke aus dem Kunstfundus an der Wand, Stilmöbel, Lederschreibgarnitur zum Mitnehmen, denn die meisten Besucher waren geizig wie Dagobert Duck.
    Dann die UHNWI-Variante in verschiedenen Stilrichtungen, für Russkis mit schwerem Kristalllüster, geschmacklosen Goldverkrustungen selbst auf der Glaskaraffe, ein Fabergé-Ei, das auch Vekselberg gerne gehabt hätte, als mit einem Spot angeleuchtetes Prunkstück, die Bedienung langbeinig und vor allem blond. Auch hier mussten die goldenen Caran d’Ache oder chinalackierten

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