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Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Titel: Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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zu denen seit zwei Jahren auch endlich der von Monaco gehörte, hatte er natürlich umfangreiche administrative Aufgaben wahrzunehmen, die sich ja auch nicht in fünf Minuten abhandeln ließen. Das bedeutet also, fasste Kuster zusammen, dass ich letztes Jahr wohl nicht mehr als höchstens fünfzehn Tage nicht nur physisch präsent war, sondern auch tatsächlich Schreibtischarbeit im Dienste der weltberühmten und traditionellen Schweizer Bankkultur erbrachte.
    Und eigentlich, seufzte er, hatte ich mir für dieses Jahr vorgenommen, das auf eine einstellige Zahl runterzudrücken. Aber um das zu erreichen, konnte er sich solche Tage wie heute natürlich nicht leisten, denn Zielvorgaben müssen mit allen Mitteln erreicht werden, vierzig Tonnen Neuanlage war das in seinem Fall.
    »Müller«, knurrte Kuster in die Gegensprechanlage, »bevor wir hier alle verfaulen, organisieren Sie mal, KW 42, Privatevent in der Tonhalle, vorher Apéro riche, nachher kleines Bankett im Baur au Lac, Einladung an alle HNWI in meinem Portefeuille plus die fünf wichtigsten potenziellen Neukunden, den Solisten oder die Solistin will ich dann auch am Tisch haben. Alles vorbereiten, Rapport an mich, ich bin dann mal außer Haus.«
    Kuster schaute auf die Uhr, Viertel nach acht, damit war der Tag eigentlich gelaufen und zählte statistisch nicht als Arbeitstag. Kuster spürte, er würde dieses Jahr sein Ziel erreichen.
Vierundsechzig
    So ein Frechdachs, dachte Äbersold, aber das war ja zu erwarten gewesen. Seit die Kollegen auf der anderen Seite der Bahnhofstrasse vor den amerikanischen Behörden auf dem Rücken lagen und mit dem Schwanz wedelten, wobei sie sich vorher noch erkundigten, ob von links nach rechts oder von rechts nach links genehm war, kriegte auch Äbersold immer wieder solche Anrufe.
    »Nun, Herr Schmid«, sprach Äbersold in den Hörer und legte dabei so viel Bankerautorität in seine Stimme, wie er konnte, »mir ist diese Vereinbarung nicht im Detail bekannt, die unser Mitbewerber mit den Behörden von Massachusetts abgeschlossen hat. Ich will mir auch kein Urteil darüber erlauben, in welcher Form dort Auction Rate Securities angeboten wurden, und noch weniger ist mir bekannt, unter welchen Umständen dort ARS zum Nennwert von mit ihnen bestückten Kunden zurückgekauft werden. Aus all diesen Gründen ist mir nicht ganz erfindlich, unter welchem Titel Sie gerne von uns möchten, dass wir sich in Ihrem Portefeuille befindliche ARS zum Nennwert in unsere Bücher nehmen. Wenn ich Sie da unterbrechen darf, Herr Schmid, am Buchwert Ihrer ARS hat sich ja nichts verändert, Ihre Verluste belaufen sich eigentlich auf null.«
    »Na prima«, erwiderte Frechdachs Schmid, »wenn das so eine großartige und werthaltige Anlage ist, dann verkaufen Sie sie doch einfach für mich, oder noch besser, kaufen Sie sie mir ab und kassieren Sie doch selbst einen möglichen Gewinn, wäre doch ein gutes Geschäft für Sie.«
    Äbersold massierte sich die Stirne, schon wieder so einer, der die AGBs nicht gelesen hat. Ist ja auch kein Wunder, vier Seiten engbedrucktes Papier in Juristendeutsch, in Dunkelgrau auf Hellgrau gedruckt, sieben Punkt, unschlagbar. Außer dem Recht auf die erste Nacht mit der Gattin des Kunden holte sich da jede Schweizer Bank alle Rechte auf ihre Seite, entledigte sich aller Verpflichtungen und so ziemlich aller Verantwortung und zählte zu Recht darauf, dass im Normalfall, wenn nämlich alles gut ging, kein Schwein das lesen, geschweige denn verstehen würde.
    »Herr Schmid«, sagte Äbersold in einem Ton, mit dem man einem nervigen Kleinkind nach der zehnte Warum-Frage den Tarif durchgibt, »wir beraten Sie bei Ihren Anlageentscheiden, und das tun wir, wie Sie aus jahrelanger Erfahrung wissen, nicht schlecht, wir führen dann als Intermediär mit aller gebotenen Sorgfalt alle Transaktionen für Sie aus, aber wir schaukeln doch nicht einfach Bestandteile Ihres Portefeuilles zwischen Ihrem Depot und unseren eigenen Anlagen hin und her.«
    »Nun, ist nun eine ARS, wenn ich aus Ihrer entsprechenden Anlagebroschüre zitieren darf, ›eine jederzeit liquide, geldwertartige, sichere Anlage von erstklassigen staatlichen Schuldnern‹ oder nicht?«
    »Mir ist der Inhalt dieser Broschüre im Moment nicht geläufig, aber ich gehe mal davon aus, dass es sich um ein korrektes Zitat handelt, Herr Schmid.« Äbersold klickte ein paar Mal auf seinen Computer, dann hatte er das richtige Dokument auf dem Bildschirm. »Ich bin mir aber

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