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Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Titel: Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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sicher«, fuhr Äbersold fort, »dass in dieser besagten Broschüre auch Folgendes steht, wenn ich zitieren darf: ›Frühere Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung. Die Gültigkeit der Information ist auf den Zeitpunkt der Erstellung dieser Unterlagen beschränkt. Eine Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen oder sonstige Ereignisse können die zukünftige Entwicklung abweichend von den vorliegenden Darstellungen beeinflussen.‹ Wenn ich da sonst noch etwas für Sie tun kann …« Das war’s wohl, grinste Äbersold in sich hinein, aber nur kurz.
    »Oh ja, Herr Äbersold, ich glaube schon, dass Sie da noch einiges für mich tun können«, triumphierte Schmid, »ich habe nämlich einen offiziellen Wohnsitz in Massachusetts, was sagen Sie nun?« Scheiße, dachte Äbersold, sagte das aber nicht: »Nun, in diesem Fall werde ich nach Rücksprache mit unserem Legal Department gerne wieder auf Sie zukommen, wäre es so in einer halben Stunde recht?« Äbersold rief schnell die Depotdaten von Schmid ab, dachte nochmals Scheiße und drückte den Durchwahlknopf zu Legal.
Fünfundsechzig
    Kuster schnaufte hörbar in den Hörer. »Schnaufen Sie mich nicht an, sagen Sie lieber was«, quoll es beleidigt aus der Ohrmuschel.
    Kuster drehte die Augen nach oben, das würde Herr Frischknecht sicherlich nicht mitkriegen. Aber was sollte er auch sagen, was konnte er überhaupt dafür? Wochenlang hatte das hochbezahlte Analystenpack behauptet, die Ölpreise kennen nur eine Richtung: nach oben. Und so war es ja auch gewesen. Eine wichtige psychologische Barriere nach der anderen war durchbrochen worden, was immer das auch sein mag, dachte Kuster, und als er im verschwommenen Prognosegeschwafel herauslesen konnte, dass auch ein Preis oberhalb von einhundertfünfzig Dollar pro Barrel durchaus im Rahmen des Möglichen liege, hatte er Frischknecht auf dessen ständiges Drängen hin, dass man doch irgendwas tun müsse, um seine dramatischen Verluste mit Schweizer Bankaktien auszugleichen, die Empfehlung gegeben, doch mal etwas in Öl zu investieren.
    Leider genau einen Tag bevor der Ölpreis innert weniger Stunden um dreißig Dollar absackte. Künstlerpech, aber erkläre das mal einem Kunden.
    »Herr Kuster, sind Sie noch da?« Ja, leider, dachte Kuster, und bei einem Vermögen von ursprünglich mehr als dreihundert Tonnen konnte er Frischknecht auch nicht gut aus der Leitung schmeißen.
    »Aber natürlich, Herr Frischknecht«, flötete er also in den Hörer, »im momentan wirklich sehr volatilen Markt sind leider immer wieder einzelne Ausreißer möglich, aber alle Fundamentaldaten weisen weiterhin darauf hin, dass der Ölpreis …«
    »Was kümmern mich Fundamentaldaten, ich habe auf Ihren Ratschlag hin innerhalb von vierundzwanzig Stunden weitere drei Millionen in den Sand, also ins Öl gesetzt. Können Sie mir mal sagen, wie Ihre angeblich so kompetenten Analysten eigentlich auf ihre Prognosen kommen? Würfeln die? Werfen die Münzen? Schmeißen die Eier an die Wand? Rufen die Mike Shiva an?«
    Kuster seufzte, wobei er geflissentlich darauf achtete, es lautlos zu tun. Mal schauen, ob ich mit der Analogie weiterkomme, dachte er dann: »Keinesfalls, Herr Frischknecht. Lassen Sie es mich so erklären: Die Wetterprognose wird ja auch immer genauer, trotzdem kann es passieren, dass es zu einem lokalen Gewitter kommt, obwohl für die ganze Schweiz Sonnenschein vorhergesagt wurde.«
    »Lokales Gewitter?«, schäumte Frischknecht, und Kuster gab die Hoffnung auf, dass der Vergleich etwas genützt hatte, »erinnern Sie sich vielleicht noch an die Gewinnprognosen, die alle Schweizer Großbanken, Ihre übrigens auch, noch bis Mitte 2007 raustrompetet haben? Und war das dann ein lokales Gewitter, was stattdessen kam?«
    Nein, das war ein Tsunami, begleitet von einem Taifun, dachte Kuster, aber er war sich sicher, dass das Frischknecht auch nicht weiterhelfen würde. »Selbstverständlich nicht, da wurden Fehler gemacht, das räumen ja auch alle Beteiligten«, Kuster weigerte sich weiterhin, »wir« zu sagen, »ein, aber wegen eines einzigen Fehlers …«
    »Eines einzigen Fehlers?«, offenbar goss Kuster immer weiter Öl ins Feuer, »wenn Sie wegen eines einzigen Fehlers des Piloten abstürzen, dann nützt es Ihnen aber viel, wenn man Ihren Hinterbliebenen sagt, dass der Pilot ansonsten immer tadellos gearbeitet habe.«
    Nicht schlecht, dachte Kuster, nicht

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