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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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unter seinen schweren Tannen über schmale Trampelpfade zum kleinen See,
wo sie an diesem Abend auf dem Steg sitzen konnte, ohne zu frieren. Sie kam
spät zurück, als wir nur noch zu dritt waren und an einem Feuer vorbei durch
ein Meer aus leeren Flaschen zur Pforte stiegen, mit den Kränzen im Haar in die
schwarze Nacht liefen, um so laut zu schreien, dass Évi sich die Ohren zuhalten
musste. Wir brüllten: Wir sind erwachsen, wir sind erwachsen, viele Male
hintereinander, als könnten wir es sonst nicht glauben, wir liefen an die
Feldraine, breiteten die Arme aus und fassten uns an den Händen, lachten und
brüllten über die herbstnackten Felder, wir sind erwachsen, wir sind erwachsen.
    Im Sommer darauf verließen wir die
Schule, ein bisschen wie Staubflocken, die ein Windstoß hoch in die Luft jagt.
Karl und ich schüttelten die Schulzeit ab wie etwas, das wir nur noch hatten
loswerden wollen und endlich abstreifen durften, nur Aja schien sich schwer zu
verabschieden von dieser Welt, durch die sie sich leichter als Karl und ich,
leichter als alle anderen bewegt und sich dabei weit entfernt hatte von einem
Leben, wie Évi und Zigi es führten, nicht nur weil sie zu den Besten unseres
Jahrgangs gehörte und während der Abschlussfeier im großen Saal auf der Bühne
stehen durfte. Karl und ich saßen neben Évi, hörten auf die Glückwünsche und
den Beifall, als man laut Ajas Namen und ihre Note sagte, und als sie ihr
Zeugnis entgegennahm, wischte sich Évi mit den roten Stickrosen ihres
Taschentuchs über die Augen. Jedem, der sie fragte, sagte Aja, Ärztin würde sie
werden, in einem Ton, als sei alles andere ausgeschlossen, als sei es
unsinnig, sie überhaupt danach zu fragen, als habe sich für Aja alles nur
darauf hinbewegt, den Tod in die Irre zu führen, ihn auf eine falsche Spur zu
setzen und eines Tages austricksen zu können, seit ein Stück Glas ihre Finger
durchtrennt hatte und ihr Blut in den frischen Schnee getropft war. Vielleicht
hatte sie auch der Krankenwagen am Neckarufer dazu gebracht, der mein Leben
durchkreuzt und verändert hatte, vielleicht waren es die zwei Sekunden, die
Karls Zeitzählung bestimmten und den Takt in seinem Kopf schlugen, vielleicht
die sichtbaren Narben an Zigis linkem Fuß, an dem er spüren konnte, ob die
kahlen Zweige nachts in Frost getaucht würden, die an Karls Schläfe, die zu
einem blassen Dreieck zusammenliefen, dort wo sein Haar eine winzige Lücke
ließ, und die unsichtbaren Narben in Ellens Kopf, die ihre hellen Tage beendet
hatten und seither für Dunkelheit sorgten. Damals jedenfalls glaubte ich, Aja
fange deshalb an, im Krankenhaus hinter den Sandsteinhäusern und Rosengärten
zu arbeiten, sie quäle sich deshalb durch die Nächte, durch Zahlen und
Zeichnungen, durch Kurven und Diagramme, auch wenn sie später behauptete, als
wir alle drei schon zur Hochschule gingen, es sei keine Qual, es sei ein
Vergnügen, sich in den Verästelungen unserer Nerven zu verlieren, es sei ein
Abenteuer, herauszufinden, wie wir Menschen unter der Haut, hinter den Augen,
wie wir zwischen unseren Adern und Gelenken aussehen. Trotzdem wollten wir Aja
nicht immer glauben, schon weil sie blass war, nachdem sie eine Haut
zerschnitten, eine Hand zerlegt hatte, wenn wir an der schweren Tür zum
Leichenkeller auf sie warteten, wie Karl ihn nannte, um ein paar Schritte in
der Sonne zu gehen.
    Évi hatte Aja nie eine Richtung
gewiesen, aber sie schien froh, dass Aja nicht auf einem Seil unter einer
Zirkuskuppel und nicht auf Kufen übers Eis tanzen wollte, und die Geldscheine,
die Zigi noch immer in blassblauen Kuverts schickte und Évi in abgeschlagenen
Tassen sammelte, band sie mit rotem Gummi aus dem Porzellankästchen zusammen,
damit Aja Bücher und Hefte und Mappen und was sie sonst noch brauchte davon
kaufen konnte. Wenn Aja nachts im Kreiskrankenhaus in Kirchblüt arbeitete,
stand Évi am Eingang, sobald es heller wurde, um Aja nach Hause zu begleiten,
um ein, zwei Räder mit ihr zu schlagen, jedes Mal, wenn sie an einer Ecke
einbiegen mussten, und wenn das Semester begann, fing sie Tage vorher an zu
backen und zu kochen, damit Aja es in kleinen weißen Schüsseln mitnehmen und
in die große Küche stellen konnte, die sie sich mit fünf anderen teilte, die
alle ein schmales Zimmer an einem langen Gang hatten. Aja nahm den Rucksack,
und Évi trug Zigis dunklen Koffer zur Haltestelle, der seit ihrem achtzehnten
Geburtstag Aja gehörte, als könne er Aja mit all den Schüsseln und

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