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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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jemals davon
befreien können. Als wir um Mitternacht unter dem Geläut der Glocken die Stufen
hinabstiegen, sagte ich: Übrigens, das Klack-Klack in Karls Kopf ist
verschwunden, und weil es nicht klang wie eine gute Nachricht, wie etwas, über
das ich mich freute und Évi und meine Mutter sich auch freuen sollten, wussten
sie, warum ich in einen Zug gestiegen und an Weihnachten nicht in Rom, sondern
in Kirchblüt war.
     
    Kirchblüt hatte sich vor meinen
Augen gedreht. Der große Platz hatte sich auf den Kopf gestellt und Türme und
Dächer durcheinandergeworfen. Die Hecken und Tore waren geschrumpft, die
Fenster und Auslagen der Läden, auch die Straßen, in denen Karls Vater noch
immer Évis Kuchen austrug, waren schmaler geworden. Alles in Kirchblüt war
schräg und klein, ich lief durch eine Kulisse, die falsch zusammengebaut war,
seit meine Mutter einen Koffer geöffnet hatte, den sie zweiundzwanzig Jahre
lang spazieren gefahren hatte, damit unsere Welt nicht zusammenfallen würde wie
bei einem Erdrutsch. Wenn ich durch den Wald zum Badesee ging, war mir, als
zeigten die Tannenspitzen auf mich, als verhöhnten die Bäume mich. Ich konnte
nicht begreifen, warum meine Mutter nicht weiter geschwiegen hatte, warum sie
ein verschwommenes Bild unbedingt hatte scharfzeichnen und die Teile einer
Erzählung nachreichen müssen, die mir nie gefehlt hatten und die ich jetzt
nicht mehr hatte hören wollen. Ich saß unter nackten Weiden am Badesteg, die
Knie angezogen, die Beine umschlungen, hörte auf den Wind und musste an Karl
denken, wie er Hut und Hemd überzog, bevor er ins Meer sprang, seit er sich in
Ostia die Schultern verbrannt und Aja ihm Joghurt aus dem Eisschrank auf die
Haut geschmiert hatte. Ich dachte daran, wie er Aja an den Trägern ihres
Badeanzugs hochgezogen und gesagt hatte, du wirst doch nicht ertrinken wollen,
wenn wir weit draußen, wo das Wasser kühler wurde, hinabgetaucht waren. Ich
dachte an den Tümpel, in dem wir im Sommer geschwommen waren, sein trübes
Wasser versteckt unter grünen Linsen und Libellen, die sich als Kronen auf
unsere nassen Haare gesetzt hatten. Ich dachte an Rom und seine Fassadenengel,
die zusahen, wie alles unter ihnen blätterte und bröckelte, und mit jedem Tag
kam es mir unwirklicher vor, dass ich in einen Zug gestiegen war und Aja und
Karl zurückgelassen hatte.
     
    Der Winter ging vorbei und
verwandelte die Feldwege rund um Évis Haus in Schlamm. Ein Dröhnen und Knattern
legte sich auf unsere kleine Stadt, als man anfing, Bäume zu schneiden und
Hecken zu stutzen, als Évi mit den ersten warmen Tagen die Fenster aufstieß
und die Treppen vor dem Fliegengitter hinabstieg, um den Knospen und Gräsern
beim Wachsen zuzusehen. Seit Aja nicht mehr bei ihr wohnte, schlief Évi in
Frühlingsnächten unter wenigen Decken draußen auf einer Sonnenliege, die Ellen
ihr überlassen hatte, ihr Kopf auf einem geblümten Kissen unterm Birnbaum, der
seine Zweige über Évi ausbreitete, als könne der Sternenhimmel sie blenden.
Wenn ich morgens kam, ging sie durchs feuchte Gras und setzte Spuren vom Birnbaum
zum schiefhängenden Tor, von den Johannisbeeren zum Verschlag mit den Hühnern,
als müsse sie ihren Garten jeden Tag neu vermessen, als könne sie nach so
vielen Jahren in Kirchblüt noch immer nicht glauben, dass es einen Ort gab, an
dem sie bleiben durfte und der ihr gehören sollte.
     
    Vor Ostern holte ich sie oft am
Fotoladen ab, um ihr abends beim Backen zu helfen und vorher den Schlenker über
den Friedhof zu machen, wo ich jeden Tag die Buchstaben am Grabstein meines
Vaters mit den Fingern nachzeichnete und mich fragte, was meine Mutter damals
übersehen hatte. An einem dieser Nachmittage hatte Évi es eilig, nicht wie
sonst, wenn sie langsam zu den Feldern über die kleine Brücke ging, weil sie
für vieles Zeit hatte, seit Aja nicht mehr in ihrem Haus wohnte. An diesem Tag
aber hatte sie es eilig, schon als sie das Glöckchen aushängte und die Tür zum
Fotoladen schloss, als sie den großen Platz mit schnellen Schritten
überquerte, unter seinen Platanen, die noch nicht angefangen hatten auszuschlagen.
An der Brücke sagte sie, wir sollten nicht zum Friedhof gehen, da die letzten
Bestellungen für Ostern da seien, und dann lief sie den Weg hinab, immer mit
Blick auf unsere Linden, als habe sie Angst, sie aus den Augen zu lassen und
etwas zu versäumen, das unter ihren Zweigen geschehen könnte. Während sie
Mehl durch ein Sieb rieseln ließ, Hefe zerbröselte und

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