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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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Straße über den Pass genommen hatte, und auf den Kilometerzähler starrte,
um mitzuzählen, wie lange noch, bis sie die Fenster herunterlassen, bis sie
wieder Licht sehen und Luft schnappen konnte. Hinter dem Gotthard fuhr Karl auf
einen Parkplatz, und Aja stieg aus, ließ den Kofferraum aufspringen, tauschte
die festen Schuhe gegen die offenen. Wie eine Läuferin an der Startlinie ging
sie ein paar Schritte, streckte die Arme nach oben und atmete tief ein. Ich
konnte sehen, wie sich ihre Schritte änderten, die Bewegung, mit der sie ihre
Füße aufsetzte, wie sie erst langsam, dann schnellerund plötzlich ganz anders
ging, als müsse sie ihre Art zu gehen ändern, jetzt, da uns der Berg endlich
ausgespuckt hatte und der Süden vor uns lag. Seit Kirchblüt hatte sie nichts
gegessen, bis wir in Rom wären, würde sie auch nichts essen, dann nur wenig und
jeden Tag ein bisschen mehr, weil es diese Unruhe in ihr gab, weil dieses
Südfieber sie überfiel, wie sie es nannte, jedes Mal, wenn die Berge hinter uns
lagen und der Himmel größer und flacher geworden war, wenn Ajas Atem schneller
ging und ihr Blick unruhig wurde und zu flattern schien, weil sie alles zu
sehen, alles zu fassen suchte, was sich ihr zeigte, wenn der Süden den Norden
ablöste.
     
    Karl wechselte die Brillen, als
wir durch die kurzen Tunnel Richtung Meer fuhren, eine Bewegung, auf die Aja
und ich schon warteten, sobald am Morgen die Sonne auftauchte, Karls Tasten
und Kramen im Handschuhfach, dann in der Brusttasche seines Hemds, wenn er die
Sonnenbrille abnahm und die andere Brille aufsetzte, wenn er sie erneut
wechselte, sobald wir einen Tunnel verließen und der nächste schon in Sicht
war. Karl fuhr über Genua, wo der Frühling sein erstes Gelb auf die Hänge
gezeichnet hatte. Er sagte, er brauche diesen Umweg, wie ein Betrug würde es
ihm vorkommen, nicht über die blassroten Dächer hinab zum Meer zu blicken, das
wir schon zu riechen geglaubt hatten, als wir die letzten Schluchten hinter uns
gelassen hatten. Sein fernes Blau sprang uns an, hinter den weißen Steinmauern
der Stadt, die sich vor ihm zu verneigen schienen, und es kümmerte sich nicht
um uns, als wir hinabstiegen und unsere Füße in seine Wellen steckten. Ein
helles Meer, das alles übertrumpfte, was wir sonst an den Küsten gesehen
hatten, und auf das wir still von oben hinabschauten, sobald wir die Treppen zu
einem kleinen Lokal mit großer Terrasse genommen hatten, das Karl einmal
entdeckt hatte, sobald sie den Fisch brachten, von dem wir kaum aßen, weil wir
alle nichts essen konnten in diesen ersten Stunden am Meer, in denen ich mich
fragte, warum es Rom hatte sein müssen, warum nicht Genua, auf der Karte nur
zehn Zentimeter weiter, mit seinen sonnengebleichten Häusern, die sich an die
Hänge klammerten, seinen Wäschesegeln und Tankern, die wie Inseln aussahen,
wenn sie ablegten und in See stachen.
     
    Aja hatte das Südfieber, das
Romfieber, wie sie es auch nannte, das sie zwei Tage ans Bett band, mit roten
Wangen, schweißnassen Haaren und einem Schmerz, der ihre Arme und ihren Kopf
lähmte. Die meiste Zeit döste sie und hörte nicht, was in ihrer Nähe geschah,
ob wir laut oder leise waren, ob wir die Fenster öffneten oder das Haus
verließen und die Tür zuschlugen. Nach zwei Tagen stand sie auf, und etwas an
ihrem Blick war verändert, sichtbar nur für Karl und mich, wenn sie ins Bad
ging, wo noch immer der Schaum aus dem Abflussgitter trat, wenn sie sich wusch
und anzog, um wenig später die Treppen hinabzusteigen und über den Fluss zum
Krankenhaus zu gehen, wo sie ihren makellos weißen Kittel überziehen und die
langen wirren Haare zusammenbinden würde. Ich wusste, an jeder Ecke würde sie
jubeln, wie immer, wenn sie nach Rom zurückgekehrt war und das Fieber sich
gelegt hatte, weil der Müll sie nicht störte, nicht der Schutt, der Dreck in
jeder Straße, weil sie die Abgase, den Gestank nicht roch und über vieles
hinwegsah, das sie nicht sehen wollte. Nur ich konnte diesmal nichts finden an
Rom, seinem Lärmen und Treiben, da es auf Ostern zuging und Fremde sich
breitmachten, uns die Plätze und Tempel raubten, wenn sie ihre Wasserflaschen
auspackten und überall liegen ließen, wenn sie sich vorbeischoben an mir und
ich jedes Mal hätte fragen können, was macht ihr in meiner Stadt, was wollt ihr
von ihr. Erst nachts, wenn die Wege an die Katzen zurückfielen, wenn ich das
Wasser in den Brunnen wieder hören konnte, konnte ich wieder spüren, was

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