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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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in warme Milch rührte,
sah sie durchs Küchenfenster, an dem die bunten Vorhänge zur Seite gezogen waren,
als warte sie auf etwas, das sich hinter dem Zaun zeigen würde, und immer
wieder zur Uhr über den schiefen Schranktüren, als bewegten sich ihr die Zeiger
heute zu langsam. In der Dämmerung stellte sie zwei dicke Kerzen ins Fenster,
und als es Nacht wurde, begleitete sie mich so langsam zum Tor, als wolle sie
mich vom Gehen abhalten, blieb stehen unter unseren Linden, in denen wir als
Kinder die Blüten von den Zweigen gezupft hatten, und noch einmal vor den
Maisfeldern, in denen wir uns damals vor Zigi versteckt hatten. Ob ich wüsste,
dass man bei einer Verbrennung schnell Eis auflegen müsse, fragte sie, und es
klang komisch, als habe sie plötzlich vergessen, wie alt ich war, als sei sie
durch die Jahre gefallen und glaube, ich sei noch das Mädchen, dem sie solche
Fragen stellen könne. Wir hörten ein Auto in der Nähe, seine Reifen, die sich
durch den Staub drehten, und Scheinwerfer blendeten auf. Erst glaubte ich,
meine Mutter würde mich abholen, aber Évi legte ihre Hand auf den Mund, löste
sich von mir und eilte schon den Feldweg hinab ins Licht, dass es aussah, als
würde sie in den Wagen hineinlaufen wollen. Ich konnte die schwarzen Umrisse
ihrer Beine sehen, ihre schnellen, großen Schritte, sie winkte, bis der Wagen
hielt, die Türen sich öffneten und Aja heraussprang, so viel konnte ich in der
Dunkelheit erkennen, auch dass Évi sie umarmte und hielt, als habe sie zu lange
darauf warten müssen. Ich hörte sie Ajas Namen sagen, nichts als immer wieder
ihren Namen, als müsse sie sich versichern, es war wirklich Aja, die sie in
den Armen hielt.
     
    Évi musste ihr geschrieben haben,
in ihrer großen schrägen Schrift, damit Aja wusste, ich hatte Tag für Tag auf Évis
Bank gesessen, ich hatte an ihrem Küchentisch Wein getrunken und Teig gerührt,
und bei allem hatte ich nichts von den Dingen erzählt, die mich dazu gebracht
hatten, Rom zu verlassen und nach Kirchblüt zu fahren. Évi hatte es geplant,
sie hatte es eingefädelt, wir sollten uns in ihrem Garten, unter unseren
Linden wiedersehen, sie hatte dafür gesorgt, genauso, wie sie früher dafür gesorgt
hatte, dass Karls Vater den Kuchen für sie ausfuhr und Ellen sie nach Heidelberg
brachte und in Jakobs Atelier auf sie wartete. Aja trug das Haar lang, zum
ersten Mal sah ich sie mit langem Haar, über die Schultern hatte sie es wachsen
lassen, obwohl sie es nie gemocht hatte, ihr dunkles, wirres Haar, das in allen
Richtungen von ihrem Kopf strebte und das sie mit einem Tuch zusammenzuhalten
versuchte, jetzt, da wir unter unseren Linden standen und Aja und Karl eine
Nacht und einen Tag gefahren waren, damit wir uns in Kirchblüt wiedersehen
würden und Aja zu mir sagen konnte, sie und Karl wollten nicht länger ohne mich
sein.
     
    Als wir tags darauf am großen
Platz im Cafe saßen, dachte ich, Évi hätte ihnen nicht schreiben brauchen, sie
hätten auch so gewusst, sie müssten sich einen Wagen leihen, nach Norden fahren
und mich weg von einem Grabstein locken, der mir keine Antworten geben würde,
sosehr ich sie mir erhofft hatte, jedes Mal, wenn ich mit den Fingern über
seine Buchstaben gefahren war. Aja und Karl wirkten wie Fremde, die auf ihrer
Reise von den großen Straßen abgefahren waren und zufällig nach Kirchblüt
gefunden hatten. Zum ersten Mal sahen sie aus, als hätten sie nie hier gelebt,
als hätte sie nie etwas mit diesen Platanen verbunden, nichts mit dem
Kopfsteinpflaster und all den Wegen, die vom Platz wegführten und sich wie
Adern durch Kirchblüt zogen. Karl blieb tagsüber bei seinem Vater, saß neben
seinen Zeichnungen und ging in Gummistiefeln zu den Häusern, die er vor die
Erdbeerfelder baute. Abends stieg er in die Bahn nach Heidelberg zu Ellen und
Jakob, um seine neuen Bilder auf Jakobs große Tische zu legen, während Aja
ihre roten Schlittschuhe vom Haken nahm, über die Schulter hängte und mit Évi
und mir zur Eisbahn ging, auf die sie lange hatte verzichten müssen. Sie trug
die Trikots und Anzüge nicht mehr, die Zigi ihr jedes Jahr zum Geburtstag
geschickt und die Évi in grünes Mottenpapier gewickelt hatte. Sie lief jetzt
in Hosen und Pullover ihre großen Kreise, dicht an den Absperrungen entlang,
als wolle sie das Holz mit der Schulter streifen, und solange Évi heißen Tee
aus einem Plastikbecher trank und von den Bänken aus zuschaute, verschränkte
Aja die Hände über der Brust, legte

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