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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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geworfen hatte, nur den einen Hinweis zu
finden, der es zulassen würde, das Band aus der Klappe zu ziehen, ins Kuvert
zu stecken, zur Post zu bringen und an die New Yorker Anschrift
zurückzuschicken, als sei es falsch adressiert gewesen und könne nicht Aja
meinen, als sei ihr ein Brief zugestellt worden, der nicht für sie gedacht war.
Sie sträubte sich, etwas glauben zu müssen, das sie nicht zu glauben bereit
war, sie sträubte sich, Zigi und Libelle zu verbinden, Libelle und Évi, sie mit
nackten Füßen über Sägespäne tanzen zu lassen, die sie mit ihren Schritten und
Sprüngen aufwirbelten, alle drei über den einen Weg gehen zu lassen, der am
Ende zu ihr selbst führte. Aber es gelang ihr nicht, keinem von uns gelang es,
die bewegten Bilder fielen über uns her und setzten sich so vor unsere Augen,
dass wir nichts anderes mehr sehen konnten. Seit Karl das Band eingelegt hatte,
flatterte Libelle durch unsere Küche, landete auf unserem Tisch und schwirrte
weiter, ohne dass wir sie hätten verscheuchen brauchen, flog hinaus über die
Dächer und setzte sich schließlich auf die Brüstung vor unserem Fenster.
Vielleicht hätte es geholfen, sie nicht in Bewegung, sie nur auf einem Foto zu
sehen, aber jetzt, da wir wussten, wie sie den Kopf und die Arme hielt, da uns
ihr Blick getroffen, da er zweieinhalb Jahrzehnte und einen Ozean übersprungen
hatte, konnten wir nicht leugnen, es war Ajas Blick, es waren ihre Schritte auf
ihren schmalen Füßen, es war die Libelle unter Zigis Nacken, über seinen
Schulterblättern, die wie Pfeile auf sie zeigten, die Libelle, die wir hatten
sehen können, jedes Mal, wenn Zigi sich verbeugt hatte und seine Nase an die
Knie gestoßen war. Sie hatte sich nach Jahren gelöst, um an unsere Läden zu
klopfen, um durchs geöffnete Fenster hereinzufliegen und ihre lilafarbenen
zitternden Flügel, so klein und zart sie auch waren, über uns auszubreiten.
    Plötzlich wussten wir alles, die
Bilder fügten sich und erklärten sich von selbst: warum Zigi eine schwarze
Libelle mit spitzer Nadel hatte unter seinen schmalen Hals setzen lassen und
seine Schultern ein Dreieck mit ihr zeichneten, warum er sie jeden Herbst hatte
loswerden wollen und jemanden gesucht hatte, der die Farbe würde wegnehmen
können, bis Évi sein Pflaster abgezupft und gesagt hatte, lass sie ruhig weiter
über deinen Rücken flattern, lass sie ruhig weiter in deinem Nacken sitzen.
Jetzt wussten wir, warum Évi sich zurückgezogen hatte, sobald Zigi mit seinem
dunklen Koffer am schiefhängenden Tor gestanden hatte, warum sie Abstand
gehalten und es manchmal ausgesehen hatte, als wolle sie sich verstecken, als
habe sie kein Recht, Aja und Zigi zu stören. Wir wussten auch, was Évi versäumt
hatte, Aja zu sagen, als sie hier gewesen war, als sie an Plätzen und Brunnen
vorbeigezogen und vom Krankenhaus über die Engelsbrücke gelaufen waren. Wir
wussten, was Zigi jeden Herbst auf den Lippen gehabt hatte und nie hatte aussprechen
können, auch nicht, als er mit Aja übers Eis geflogen und den ersten Bogen mit
ihr gefahren war, als Aja in ihrem schwarzen Anzug mit dem runden Kragen
ausgesehen haben musste wie Libelle, und Évi die Eishalle verlassen hatte,
weil Zigi in all den Wochen den rechten Augenblick immer wieder versäumt
hatte, die Wahrheit zu sagen, und weil sie vielleicht geglaubt hatte, ihr
selbst stünde nicht zu, sie Aja zu erzählen. Zigi war feige gewesen. Obwohl er
in allem mutig war, in jeder Höhe ohne Sicherung durch die Luft sprang, sich in
ihrem Wanderjahr nie von Dunkelheit und Kälte hatte schrecken lassen und ihm
kein Wasser zu tief oder zu wild gewesen war, um ans andere Ufer zu schwimmen,
war er zu feige gewesen, Aja die Wahrheit zu sagen, ihr Haar aus der Stirn zu
streichen, ihr Gesicht zwischen den Händen zu halten, die drei Finger ihrer
rechten Hand einzeln zu küssen, wie er es oft getan hatte, und ihr dann an
einem Abend zu erzählen, wer diese Frau mit den Flügeln war, die sie Libelle
nannten und die aussah wie Aja. Wir fragten uns nicht, wer die Aufnahme gemacht
haben könnte, wir waren sicher, Zigi musste es gewesen sein, auf den Libelle
geschaut hatte, er musste ihr mit der Kamera gefolgt sein, während sie
rückwärts über die Bande gelaufen und auf nackten Füßen durch die Manege
gesprungen war, etwas an ihrer Art, in die Linse zu schauen, den Kopf
zurückzuwerfen und die schwarze Kappe zu richten, ohne Ton aufzulachen und die
schmalen Schultern zusammenzuziehen, sagte uns, es

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