Bank, Zsuzsa
gebraucht, als hätten sie sich nur an einem Ort treffen können, an
dem Évi und Aja noch keine Spuren hinterlassen und keine Luft geatmet hatten,
an dem sie bloß in Gedanken und niemals wirklich gewesen waren.
Libelle hatte nach Aja gefragt,
und es war ihr gleich gewesen, dass sie vor Jahren die Abmachung getroffen
hatten, Libelle solle nicht nach ihr fragen, und weil es auch Zigi an diesem
Tag gleich gewesen war, was sie zu einer Zeit ausgemacht hatten, die so weit
zurücklag, als habe es sie gar nicht gegeben, hatte er Libelle ein Foto
gezeigt, das an den Rändern ausfranste und das er in seiner Jacke immer bei
sich trug und anschaute, wenn er zwischen zwei schnellen Schritten stehen
blieb und innehielt. Aja war in roten Schlittschuhen auf dem Eis zu sehen, in
dem Winter, in dem Zigi den ersten Bogen mit ihr gefahren war und Évi die Halle
verlassen hatte. Libelle strich mit ihren schmalen Fingern darüber, über den
enganliegenden schwarzen Anzug, den runden Kragen und die langen
Fledermausärmel, über Ajas kurzes wirres Haar, das mit Klammern an den Seiten
festgesteckt war, über die Absperrung aus Holz, auf die Aja in den Pausen ihre
Arme gelegt hatte. Mit dem Bild in der Hand ging sie ein paar Meter, als wolle
sie allein sein, und Zigi ließ es geschehen, als stehe es Libelle nach so vielen
Jahren zu, mit Aja allein zu sein, und wenn es nur mit ihrem Foto war. Sie
setzte sich ins Gras, als habe sie mit einem Mal keine Kraft mehr zu stehen,
und als sie anfing zu weinen, wusste Zigi schon, es war ein Fehler gewesen, ihr
das Bild aus seiner Jackentasche zu geben und etwas anzustoßen, das er nicht
mehr würde aufhalten können.
Libelle rührte ihn, wie sie im
Gras saß, den Rücken aufgerichtet, die Beine und Füße, die Fußspitzen weit
nach unten gestreckt, als sei sie bereit, sogleich aufzuspringen und
loszuturnen, mit Ajas Foto in den Händen, auf das sie starrte, als könne sie
mehr darin sehen, als auf einem Foto zu sehen war. Ajas Adresse gab er ihr
nicht, als sie darum bat, aber seine eigene schrieb er auf, als wolle er ihr
nach all den Jahren wenigstens so viel zugestehen. Libelle sagte, er müsse
keine Angst haben, sie würde sich an die Abmachungen halten, und trotzdem
wurde er in den Tagen darauf das Gefühl nicht los, es würde nicht lange
dauern, und Aja hätte Besuch oder Post von ihr. Zigi hatte ihr unsere Anschrift
in Rom nicht gegeben, aber es änderte auch nichts, es machte keinen
Unterschied, ob sie ihr jemand gegeben, ob Libelle sie selbst herausgefunden
oder jemanden bezahlt hatte, damit er es für sie tun würde. Zigi glaubte,
Libelle sei nach fünfundzwanzig Jahren von einer Laune besiegt worden, die sie
immer zu unterdrücken gewusst hatte, nur aus dieser Laune heraus habe sie das Filmband
geschickt und vielleicht schon bereut, als sie das Päckchen am Postschalter
aus der Hand gegeben hatte und es in einer Kiste nach Übersee gelandet sei. Nur
in dieser Laune müsse sie geglaubt haben, es sei an der Zeit, etwas
loszuwerden, das sie aufbewahrt und bei sich getragen hatte, aus einer Zeit, in
der es Aja noch nicht gegeben hatte und Zigi und Évi einen Winter, Frühling
und Sommer lang geglaubt hatten, sie könnten ohne den anderen leben. Zigi hatte
die Kamera damals gehalten und Libelle zum Lachen gebracht, für ihn war ihr
Lachen bestimmt gewesen, ihre Blicke, ihre Drehungen und Sprünge auf unserer
Küchenwand waren alle einmal für Zigi bestimmt gewesen. Libelle hatte die Aufnahme
aufgehoben, auf der sie jünger war als Aja heute. Es war ihre einzige
Verbindung zu Zigi geblieben, nachdem er sie zurückgelassen hatte, nachdem er
mit Évi und Aja losgezogen und Libelle nichts geblieben war als ein Filmstreifen,
den sie nie mehr angeschaut, aber gehütet hatte wie einen Schatz, von dem Zigi
und Évi fürchteten, eines Tages würde Aja ihn entdecken.
Aja hatte hinter der Glastür laut
ungarisch gesprochen, und nur als sie Libelle gebrüllt hatte, in ihrem
schrillen, keifenden Ton, den ich vergessen geglaubt hatte und der in diesem
Augenblick zurückgekehrt war, als sie mit der Faust gegen das Glas geschlagen
und am Schalter jemand aufgeschaut und den Kopf geschüttelt hatte, erst als
sie den Namen Libelle gebrüllt hatte, hatte ich sie verstanden, als sie auf
Deutsch gefragt hatte: Willst du es mir nicht sagen?, als habe sie plötzlich
nicht mehr gewollt, dass Zigi endlich aussprechen würde, was wir seit dem
Morgen ahnten, seit wir den kurzen Film gesehen hatten und zu wissen
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