Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
Vom Netzwerk:
unsere hellen Tage zu verdunkeln. Wir hatten an die
klirrende Scheibe gedacht, an die Scherben, die Évi zusammengekehrt, die Decke,
die sie anschließend vors Fenster gehängt hatte, und alles andere darüber
vergessen. Wir hatten vergessen, an einem der Stände Obst zu kaufen und auf dem
Markt Brot zu besorgen, wir hatten vergessen, am Morgen die Läden vor unseren
Zimmerfenstern zu öffnen und am Abend zu schließen, wir hatten vergessen, zum
Tiber zu laufen, die Brücken abzuschreiten und in den Bus zur Hochschule zu
steigen. Ich hatte meine Papierstapel auf dem Schreibtisch vergessen, Karl
hatte vergessen, mit seiner Kamera die Fratzen Roms einzufangen, und Aja, ihren
weißen Kittel aus der Wäscherei zu holen und ins Krankenhaus zu gehen. Als ich
den Briefkasten öffnete, fiel mir die Post entgegen, ein Stapel farbiger
Papiere, und Karl hob die Kuverts vom Boden auf und legte sie in seine noch
immer verbundenen Hände, darunter ein braunes Päckchen, auf dem in großen roten
Druckbuchstaben Aja Kalocs stand und das aus New York geschickt worden war,
aber nicht von Zigi, und weil wir alles von Aja wussten, wussten wir auch, dass
sie außer Zigi niemanden in New York kannte.
    Karl trug den Stapel nach oben und
blätterte ihn durch, während er die Treppe hochging, die Tür aufschloss und Aja
am Küchenfenster stehen sah, als habe sie sich nicht einen Zentimeter bewegt,
seit wir sie so zurückgelassen hatten. Nur die Muscheln und schwarzen Steine
vor dem Waschbecken lagen nicht mehr so wie vorher, Aja musste sie hochgehoben
haben. Ein bisschen sah sie jetzt aus wie Évi, nicht nur wegen des bunten
Haarbands, das sie trug. Sie sah aus, wie Évi damals ausgesehen hatte, als sie
allein am Waldsee geblieben war, nachdem Aja mit ihrem roten Fahrrad
hineingefallen war und meine Mutter sie herausgezogen, ihre eigene Bluse
aufgeknöpft und Aja gegeben hatte, damit sie nicht ohne Kleider hatte
zurückfahren müssen. Karl sagte, du hast Post bekommen, Aja, aus Amerika, er
schlug aufs Kuvert, und Aja drehte ihren Kopf und schaute Karl zu, wie er mit
seinen verbundenen Händen das Päckchen mit den großen roten Buchstaben auf den
Küchentisch legte, neben die Vase, für die Aja Tag für Tag vergessen hatte,
frische Dahlien zu kaufen, und weil sie sich nicht rührte, sagte Karl noch
einmal: Du hast Post bekommen, Aja, willst du sie nicht öffnen?

Libelle
     
    Es dauerte, bis Aja die zwei
Schritte zum Küchentisch ging und den dicken Umschlag mit den roten Buchstaben
in die Hände nahm. Bis zum Morgen, der die ersten Schwalben über die Dächer
schickte, ließ sie sich Zeit, weil sie auf eine Art, für die Karl und ich nie
eine Erklärung finden konnten, ahnte, was sich dort verbergen würde. Kein
Brief, nur ein Zettel lag darin, einer, der ausgereicht hätte, um die Einkäufe
für Évis Kuchen aufzuschreiben, und auf dem in den gleichen roten
Druckbuchstaben nichts weiter stand als, Zigi und deine Mutter haben fünfundzwanzig
Jahre lang nicht den richtigen Augenblick gefunden. Aja zog eine Spule mit
einem Filmband heraus und hielt sie gegen das Fenster, als könne sich mehr
darin verstecken, und sie könne es sehen, sobald sie den Streifen gegen das
Licht hielt. Karl sagte, was soll dieser Unsinn, wer schickt dir so etwas, und
es war das erste Mal seit jener Nacht, da er zu Aja etwas sagte und sie es
auch hörte. Aja tippte auf die Rückseite des Kuverts, auf die New Yorker
Adresse hinter dem c/o und den Namen, der darübergeschrieben stand, als habe
sie Angst, ihn auszusprechen, die Buchstaben, die sich dort aneinanderreihten,
so laut zu sagen, dass wir sie würden hören können, und dann suchte sie den
Zettel ab, drehte und wendete ihn, als habe sie etwas übersehen und könne noch
mehr darin lesen.
    Karl musste ihr sofort ein Gerät
besorgen, mit dem sie den Film anschauen konnte. Wir sahen ihm vom Küchenfenster
nach, als er ohne Helm, mit losen Schuhen auf seinen Roller stieg, um die
Flohmärkte und Läden abzufahren, die er kannte und die solche Dinge gebraucht
verkauften. Vielleicht glaubte er, er könne etwas wiedergutmachen, während Aja
ihr Haar Strähne für Strähne um die Finger drehte, schnell und fahrig, als
wolle sie es ausrupfen, und dabei auf den Zettel starrte, als könne sie noch
einen Satz, einen Hinweis finden, der uns die Angst, die uns plötzlich
überfallen hatte, nehmen und verscheuchen, der Aja etwas an die Hand geben
würde, an dem sie sich festhalten könnte, bis wir Karls Schritte auf der

Weitere Kostenlose Bücher