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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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weggeschoben, in den Aja jederzeit in
Gedanken hatte zurückkehren können, sie hatte den Weg versperrt, seit sie am
Morgen vor geschlossenen Läden durch unsere Küche getanzt war. Zigi hatte
seinen festen Platz verlassen, er war hochgesprungen und fand nicht zurück zum
Boden, weder auf Hände noch Füße. Er wirbelte durch die flimmernde Juniluft,
flog wie ein Ball und schlug an die Bande, und an Ajas flatterndem Blick
glaubte ich zu sehen, wie sie seinen Bewegungen, seinen Sprüngen zu folgen
versuchte, als wolle sie Zigi festhalten, ihn einfangen und noch einmal zur
Rede stellen, als sei nicht alles schon gesagt.
    Ausgerechnet hier, wo die Fäden
der Lügen zusammengelaufen waren, gab es in einer Kirche nicht weit von den
Foren, zwischen drei Hügeln Roms, einen Kanaldeckel aus antiker Zeit, von dem
nicht klar war, welchen Go tt er im
Relief zeigte, von dem es aber hieß, Lügnern würde er die Hand abreißen. Meinem
Vater hätte er die Hand abgerissen, Évi und Zigi hätten ihre Hände an ihn
verloren, nur Karl nicht, er hätte seinen Arm in den Schlund stecken und
herausziehen können, nur Karl hatte Aja die Wahrheit gesagt und war gerade
dafür bestraft worden. Vielleicht webten wir alle an diesem Geflecht, in dem
wir uns nicht mehr auskannten. In diesem Jahr, in diesem Sommer jedenfalls kam
es mir vor, als sollten wir nur noch Lügen aufdecken, damit sie neben uns
einschlugen wie die Blitze auf dem freien Feld rund um Évis Garten. Vielleicht
hatten wir alle schon Lügen erzählt, in denen sich die anderen verfangen
hatten, vielleicht war keiner von uns frei davon, nicht einmal Ellen und Karls
Vater, nicht einmal Jakob in Heidelberg, vielleicht hatte er in Karl sofort
den kleinen Jungen auf dem Meer aus Kabeln erkannt und es ihm zunächst verschwiegen.
Wenn irgendwo in dieser Welt Dinge geschahen, die hinter unserer Wahrnehmung
lagen, musste es hier sein, zwischen Engeln und Madonnen, zwischen toten
Sklaven, Kriegern und Wolfskindern - zumindest Aja und ich hatten daran
geglaubt, seit wir unseren ersten Tag in Rom verbracht und die Stadt unter
einem fetten Mond durchwandert hatten. Nur hatten wir uns diese Dinge anders
ausgemalt, als sie sich jetzt zeigten, so waren sie in unserer Vorstellung nie
gewesen.
    Aja zerrte ihren Koffer unter dem
Bett hervor, klappte ihn auf und setzte sich hinein, als könne sie eine Brücke
zu dem Sommer schlagen, in dem Zigi Libelle zurückgelassen und Aja mit einem
Tuch auf seinen Rücken gebunden hatte, die Straße hinabgegangen und dann ein
Jahr lang übers Land gezogen war, sich in Flüssen gewaschen und an Feldrainen
geschlafen hatte. Es sah aus, als würde sie gleich mit ihm davonfliegen, wie in
dem Märchen, das Évi uns oft genug erzählt hatte, wenn der erste Schnee auf
den Feldern lag und wir Watte für ihre Lebkuchenhäuser gezupft hatten, als
würde sie gleich zum Fenster hinausfliegen, über die Dächer mit ihren Antennen
und Schornsteinen, weg von den Straßen, die Rom durchzogen, von dem Postamt, in
dem sie mit Zigi gesprochen hatte, und weit weg von unserer Küche, über deren
Wand an diesem Morgen Libelle zum ersten Mal geflattert war. Nichts wollte Karl
und mir einfallen, was wir hätten sagen können, weil es nichts gab, was hätte
helfen können, da wir nichts von dem aufheben und zurücknehmen konnten, was Aja
jetzt wusste und auf irgendeine Weise vielleicht immer schon geahnt hatte. Wir
konnten nichts dagegen tun, dass eine Fremde im Libellenkostüm, von der wir
kaum etwas wussten, über unsere Wände tanzte, dass ihre Libellenflügel noch
immer zitterten und sich öffneten, sobald sie sich nach hinten beugte und ihr
Scheitel die Waden berührte. Es gab nichts, das Aja hätte trösten können, so
wie es auch Karl nie getröstet hatte, wenn Aja und ich gesagt hatten, er wäre
nie mit Ellen nach Kirchblüt gezogen, wir wären einander nie begegnet, wenn Ben
nicht verschwunden wäre. Es hatte ihn geärgert, wenn wir so geredet hatten,
weil es klang, als habe er seinen Bruder hergeben müssen, nur um Aja und mich
treffen zu können. Über Nacht war das zurückgekehrt, was wir Ajas Seefallen
genannt hatten, seit das Kuvert auf unserem Küchentisch gelegen hatte, war es
da gewesen. Es hatte Aja eingeholt und haftete nun an ihr, nur dass Karl nicht
mehr hinausschwimmen und sie einfach an den Trägern ihres Badeanzugs aus dem
Wasser ziehen konnte.
    An den Abenden ging Aja allein
los, und wenn wir später fragten, wo sie gewesen sei, sagte sie, sie habe sich
unter

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