Bank, Zsuzsa
ihre liebsten Madonnen gestellt, aber sie hätten ihre Hände nicht mehr
schützend über ihren Kopf gehalten. Sie sagte, sie möge ihren Namen nicht mehr,
eine Frau im Libellenkostüm habe ihn ausgesucht, von der sie nichts wisse, und
alles, was Karl und mir zu sagen einfiel, war, nein, Zigi wird ihn ausgesucht
haben, sicher hat Zigi ihn für dich ausgesucht, obwohl wir selbst nicht daran
glaubten. In einer dieser Nächte hatte Aja eine Frau gesehen, die sich neben
Libelle in ihren Kopf gedrängt hatte, als sei gerade noch genügend Platz für
sie. Vor einem Lokal hatte sie gestanden, vor der Schiefertafel mit den
Gerichten des Tages, und mit der flachen Hand Buchstaben weggewischt, aus
frutta die zwei Ts, aus pesce das C, und Aja hatte ihr zugeschaut und sich
gefragt, welche Botschaft es war, die sie verschlüsselte. Etwas daran ließ Aja
nicht los, vielleicht glaubte sie, jetzt überall Botschaften lesen und etwas
nachholen zu müssen, das sie zu lange versäumt hatte. Sie fragte, ob ich ihr
nicht endlich verzeihen wolle, ob ich es noch immer nicht könne, und ich sagte,
es ist doch längst geschehen, was müsste ich dir noch verzeihen. Ausgerechnet
jetzt fragte sie, da Libelles Tanz und ihre gespreizten Finger alles
weggewischt hatten, das Aja weg von mir und näher zu Karl gerückt hatte, jetzt,
da alles andere unwichtig geworden war, es auch nicht mehr zählte, ob Karl sich
hatte hinreißen lassen, uns die Wahrheit zu sagen, ob er sich absichtlich die
Hände an den Weihnachtskugeln zerschnitten hatte, ob er und Aja im letzten
Sommer unser Dreieck aufs Spiel gesetzt hatten, ob ich nach Kirchblüt
geflüchtet war und wir die Nähe und Abstände zwischen uns eine Zeitlang
durcheinandergebracht hatten.
Meine Mutter rief an und sagte,
Zigi habe ein Telegramm an Évi geschickt, in dem nichts gestanden hatte als:
Aja weiß von Libelle. Sie hatte für Évi einen Flug buchen und bezahlen wollen,
und selbst wenn Évi es erlaubt hätte, Aja hätte nicht gewollt, dass Évi noch
einmal nach Rom kommen würde, als sei es ihre Stadt, durch die sie jede Nacht
zu ihren liebsten Madonnen lief, als sei es ihre Straße, in der wir wohnten,
als sei es ihr Haus, in dem sie die Stufen jetzt langsamer nahm, um nicht zu
schnell unterm Dach anzukommen, als sei sie nicht mehr sicher, was sie dort
erwartete. Sie sagte, sie könne nicht hierherholen, was nach Kirchblüt gehöre,
und als sie fragte, ob ich mit ihr dorthin fahren würde, nahm ich am Ufer den
Bus nach Termini, lief an den Ständen vorbei, wo Aja in unseren ersten Tagen in
Rom die Strandschuhe mit den Stoffblumen entdeckt hatte, und kaufte in der
großen Halle Fahrscheine. Zwischen dem kalten weißen Stein, von dem ich noch
immer nicht wusste, ob er die Stimmen dämpfte oder ihren Hall nur verstärkte,
überfiel mich die Angst, es könne das letzte Mal sein, ich könne zum letzten
Mal meine Lirescheine unter das Fenster des Schalters legen, und auf dem Drehteller
könnten ein letztes Mal die Fahrkarten zu mir geschoben werden.
Wir packten unsere Taschen am
Abend, dann gingen wir noch einmal durch leere Gassen zum Trévibrunnen, warfen
aber keine Münze, als könne wegen einem Geldstück im Wasser wirklich etwas
geschehen, und wir wüssten gerade nicht, wofür wir uns entscheiden sollten. Karls
Stimme klang ängstlich, als er Aja fragte: Wann, sagtest du, werdet ihr
fahren?, und neben uns lief, ein bisschen wie einer dieser streunenden Hunde,
die sich an den Stadträndern an fremde Fersen hängten. Aja schaute an den
Fassaden hoch und sagte, Blut fließt über die Wände, könnt ihr das nicht
sehen, die Straßen tragen es zum Fluss hinab, die Wäsche vor den Läden ist
getränkt davon, und Karl folgte ihrem Blick und sagte, du kannst nicht länger
im Krankenhaus arbeiten, es bekommt dir nicht. Er wusste nicht, dass Aja sich
dort verabschiedet hatte, am selben Tag, an dem sie mich zum Bahnhof geschickt
hatte, um nach Zügen zu schauen, die uns nach Hause bringen würden. Ins Krankenhaus
hatte sie das rote Band mitgenommen, das sie im Hof manchmal zwischen zwei
Pfosten gespannt hatte, um nicht aus der Übung zu kommen, wie sie sagte, hatte
es mit mir von Wand zu Wand an den Rohren festgezogen und war vor den
Krankenbetten darauf balanciert. Sie war durch die Flure gesprungen, wo die
Patienten warteten, sie war auf Händen gelaufen, rund um Sitzbänke, Essenswagen
und Rollstühle, hatte Räder geschlagen und Purzelbäume in der Luft gedreht,
hatte sich unter dem Applaus der
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