Bank, Zsuzsa
setzte sich Aja auf mein gestreiftes Kindersofa, das
meine Mutter nie hatte weggeben wollen, ohne Schuhe, in ihrem hellgrünen
Sommermantel, die Beine angewinkelt, die Knie ans Kinn gezogen und umschlungen,
an ihrem Finger ein weißer Streifen, wo sie Karls Ring getragen und vor kurzem
abgezogen hatte. Sie sah aus, als wundere sie sich, warum das Kindersofa so
klein geworden war, warum selbst für sie dieses Sofa, auf dem wir früher zu
dritt gesessen hatten, zu klein oder sie zu groß dafür geworden war. Jetzt, da
sie wusste, dass sie Teil einer Abmachung war, in der Libelle die Fährte zu ihr
aufgegeben, Zigis Nähe nicht gesucht und nur eine Filmrolle von ihm behalten
hatte, die in Rom in unserer Küche, auf meinen Wörterbüchern lag, hörte sie
nicht auf, es mir auch zu sagen. Ich bin Teil einer Abmachung, Seri, ich gehöre
zu einer Abmachung, sagte sie, in einer endlosen verrückten Melodie, ich bin
eine Abmachung zwischen Libelle und meinem Vater, aber weil sie nicht wie
sonst Zigi sagte, sondern mein Vater, in diesem Ton, der immer mit Zigi
verbunden gewesen war, glaubte ich, ihre Wut habe sich für diesen Augenblick
gelegt, als sei jetzt nur noch ich wütend, auf Zigi, weil er in jedem Herbst
versucht hatte, die Libelle aus seinem Nacken entfernen zu lassen, und Aja nie
erklärt hatte, warum, auf meine Mutter, weil sie jahrelang Moos von einem
Grabstein gekratzt hatte und mit einem Koffer spazieren gefahren war, in dem
sie schon viel früher alles hätte finden können, und auf Évi, weil sie in Rom
für uns gekocht, weil sie unter unserem Dach Gemüse geschnitten, Obst
gewaschen, auf unseren fetten Mond geschaut und Aja an jedem dieser Abende aufs
Neue nicht gesagt hatte, Zigi hat Libelle getroffen.
Libelle aber stieg aus ihrem
Zirkuswagen in unseren Reigen, als sei auch ihr Leben um eine Lücke gebaut und
nur für sie vorgesehen, diese Lücke irgendwann schließen zu dürfen, obwohl Aja
keinen Grund dafür finden konnte, warum jemand sein Kind nicht behalten wollte,
und ich sie mit dem Gedanken zu trösten versuchte, es gebe Menschen, die zum
Leben nicht taugten, und Libelle sei vielleicht ein solcher Mensch, der zum
Leben einfach nicht taugt. Irgendetwas daran schien Aja als Erklärung zu
reichen, an diesem Tag jedenfalls, an dem sie sich immer wieder fragte, wie es
sein konnte, dass sie und Évi dieses wirre Haar hatten, wo Évi doch gar nicht
ihre Mutter war. Ich sagte, es ist doch gleich, wer sie ist, und ein wenig
klang es, als müsse ich es mir selbst einreden, indem ich es wiederholte: Von
Anfang an war sie deine Mutter, niemand anderes war das, deine, unsere Évi.
Aber Aja schüttelte den Kopf und sagte, nein, das war sie nicht, meine Mutter
ist eine Filmaufnahme, ich bin die Tochter einer Filmaufnahme, und jedes Mal,
wenn sie diesen Satz aussprach, mit dem sie in Rom angefangen hatte, erwiderte
ich, nein, deine Mutter ist keine Filmaufnahme, Évi ist deine Mutter.
Heimkehr
Unsere Tage in Kirchblüt vergingen
langsam. Ich verstand nicht, auf was Aja wartete, warum wir nicht unsere
Taschen packten, warum wir nicht dem großen Platz und den kleinen Straßen
ringsum den Rücken kehrten, wo wir doch alles wussten, was Aja hatte wissen
wollen. Warum sie weiter auf meinem alten Kindersofa lag, in ihren kurzen
Sommerblusen, die sie in Rom in einem düsteren Laden hinter dem Krankenhaus
gekauft hatte, wenn sie sich für die vielen Nächte belohnen wollte, in denen
sie dort wachte, warum sie weiter mit meiner Mutter und mir am Küchentisch saß,
wie vor einem Scherbenhaufen, den sie mit spitzen Fingern zu ordnen hatte. Aja
kannte sich nicht mehr aus, sie wusste nicht, wohin sie sich aufmachen sollte,
ob sie den Weg zu Libelle oder den Weg zurück zu Karl gehen, ob sie überhaupt
eine Richtung einschlagen oder einfach bleiben sollte, jetzt, da sie weder Lust
noch Kraft für die einfachsten Dinge hatte. Zu Évi hätte sie sich leicht
aufmachen können, sie hätte nur unser Tor zur Seite schieben und loslaufen
brauchen, zum großen Platz, zur Brücke über den Klatschmohn, an den Feldern mit
Weizen und Mais vorbei. Aber jeden Morgen, wenn ich vorschlug, zu Évi zu
gehen, wenigstens zum Fotoladen, sagte sie, nein, sie gehe diesen Weg nicht
mehr, weder zum Fotoladen noch zu Évi nach Hause. Meine Mutter fragte nicht,
wie lange wir bleiben würden, und wenn es mir gelang, Aja am Abend zu
überreden, uns ins Cafe zu setzen, fuhr sie zu Évi hinaus, um ihr zu sagen, wir
seien nicht abgereist, Aja liege
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