Bank, Zsuzsa
können.
Évi hob die Arme und zog ein Knie
hoch, um ein Rad zu schlagen, und als Aja wegschaute, setzte ich selbst die
Hände in den Staub, riss die Beine hoch, und obwohl ich es zu lange nicht getan
hatte, gelang es mir, mich neben Évi in einem halben Kreis zu drehen und die
Füße wieder aufzustellen. Ich klopfte mir den Schmutz von den Händen und
richtete mein Kleid, während Évi weiter Räder schlug und ihre Füße zwischen den
Strichen aufkommen ließ, die meine Mutter gezeichnet hatte. Ihre langen
schmalen Beine flogen über die Umrisse des Zelts und das Fähnchen auf seiner
Spitze, über die Buchstaben auf den Waggons und die Treppenstufen vor den
Türen, übers Kassenhäuschen, an dem man ihnen montags das Geld ausgezahlt und
in dem Libelle Eintrittskarten verkauft hatte, über die Stühle, die sie in den
Pausen vors Zelt gestellt hatten, und über die zwei Kreuze, die meine Mutter in
den Kies gezogen hatte, um zu zeigen, hier war Aja geboren worden und dort war
das Tuch festgebunden gewesen, das jeder, der vorbeikam, angestoßen hatte,
damit Aja weiter darin schaukelte. Als Évi zum Stehen kam, die Füße dicht
aneinandergestellt, als wolle sie ihre Übung abschließen, war jede Farbe aus
ihrem Gesicht gewichen, als habe sie sich überschätzt und einen Augenblick lang
wirklich geglaubt, ihr Körper sei noch der von damals und sie könne noch immer
mit ihm anfangen, wonach ihr der Sinn gerade stehe, und als müsse sie noch
einen letzten Satz sagen, als falle ihr aber nichts Geschickteres ein, sagte
sie, alles Weitere kennst du selbst, und Aja nickte und wiederholte: Ja, alles
Weitere kenne ich selbst.
Wir fuhren gegen Mittag zurück, nicht
wegen des leichten Regens, der jetzt fiel und den wir kaum bemerkten, sondern
weil Aja zurückwollte, weil sie genug gesehen hatte von diesem Platz, den Évi
für uns abgelaufen war, um zu zeigen, wo die Dinge gestanden und sich
abgespielt hatten, und auf den meine Mutter Zirkuswagen und zwei große Kreuze
mit den Füßen in den Staub gezeichnet hatte. Was in Rom angefangen hatte, hatte
sich an diesem Junimorgen weitergedreht, an diesem seltsamen Ort, an dem wir
sonst vorbeigefahren wären, ohne ihn zu bemerken, und der sich jetzt in Ajas
Leben ausbreitete, als sei alles nur noch diesem Stück Erde unterworfen. Aja
saß auf dem Vordersitz und starrte aus dem Fenster, aber von etwas schien sie
sich befreit zu haben, etwas ließ sie ruhiger zurückfahren, ich konnte es
sehen, jetzt, da sie ihre Hände auf die Schenkel legte und ihre acht Finger
spreizte. Libelle sprang nicht länger über unsere Köpfe und breitete nicht
länger ihre Flügel über uns aus. Sie lief nicht mehr über unsere Scheitel und
hielt sich nicht mehr am Rückspiegel fest, um zu schaukeln und in die Spuren
des Scheibenwischers zu gleiten. Wir hatten sie auf dem Platz zurückgelassen.
Wir hatten sie an den Schultern gefasst, über die Stufen gehoben, in ihren
Waggon gestellt und seine Tür verschlossen. Wir hatten die Riegel unter den
Fenstern ausgehängt und gehört, wie sie zugeklappt waren. Wir waren rückwärts
zu unserem Wagen gegangen, meine Mutter zwischen Aja und Évi, mit ihren
flachen Schuhen voller Staub, wir waren ohne zu winken losgefahren und hatten
uns nicht mehr nach Libelle umgedreht.
Als wir Évi am schiefhängenden Tor
absetzten, kämpfte ich dagegen, aus dem Wagen zu steigen und ihr nachlaufen zu
wollen. Unsere Linden zeigten ihr tiefstes Grün, und die Baumkronen standen so
dicht beieinander, dass ich nicht erkennen konnte, wo die Zweige von Karls
Linde die der anderen berührten. Es sah aus, als seien sie in diesem Frühjahr
zusammengewachsen. Évi ging langsam die wenigen Stufen hoch, und bevor sie das
Fliegengitter löste, fasste sie zum ersten Mal an den Handlauf aus Metall, den
Karls Vater vor Jahren wieder angebracht hatte, nachdem Zigi ihn abgenommen
hatte, als habe er gewusst, ein Tag würde kommen, an dem Évi sich daran würde
festhalten müssen.
Aja wollte nicht in ihr altes
Zimmer, sie wollte nicht auf ihre Linde schauen, nicht auf den Zaun, der Évis
Garten von den Feldwegen trennte, vom Bachlauf, von den Dächern und Kirchtürmen
der Stadt. Sie sagte, sie möge ihren Namen nicht mehr, und ich konnte ihn
fortan nicht mehr sagen, ohne dabei an Libelle denken zu müssen, weil sie ihn
Zigi und Évi mit auf den Weg gegeben hatte, als sie sich aufgemacht hatten in
ihr Wanderjahr, um auf Straßen und Plätzen, an Wäldern und Flüssen zu leben.
In unserem Gästezimmer
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