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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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nie
hatte betreten wollen, und Évi vergaß es auch.
    Langsam hatte sich meine Mutter
genähert. Sie hatte Zeit gebraucht, den Motor abzustellen, die Wagentür zu
schließen und am Zaun zu warten, Tage später durch die Pforte, die wenigen
Schritte über die Steinplatten zu Évis Haus zu laufen, wo sie stehen geblieben
war, als sei alles Weitere für den Augenblick noch zu viel. Bald war sie in den
Garten gekommen , hatte sich von Évi wie an einer unsichtbaren Leine an der
Hauswand entlangführen lassen, als könne sie den Weg nicht allein finden, als
müsse Évi ihr zeigen, wie sie an Maulwurfshügeln vorbei durchs hohe Gras gehen
konnte. Sie trug die zimtfarbenen Schuhe mit den feinen Riemchen auf ihrem
Spann, die zu ihrer Hose passten, zu ihrer langen Bluse und den Armreifen, die
an den Handgelenken klapperten, jedes Mal, wenn sie ihre Sonnenbrille mit den
großen dunklen Gläsern zurechtrückte. Mit kleinen Schritten tastete sie
durchs Gras, das Évi nicht mehr geschnitten hatte, seit Zigi abgereist war, als
wolle sie prüfen, wie hoch es noch wachsen würde. Évi schob die Bank mit
durchgestreckten Armen unter den Birnbaum, und meine Mutter setzte sich auf
ein Kissen, das Évi schnell für sie aufgelegt hatte, aus Angst, das Holz könne
meiner Mutter zu hart sein, ein Splitter könne am feinen Stoff ihrer Hose
reißen. Meine Mutter zog die Schuhe aus und stellte sie nicht unter die Bank,
sie warf sie hinter zwei Mauselöcher ins Gras, und später lief sie barfüßig zum
Wagen, über die losen Platten und die Steinchen am Wegrand. In den Händen
hielt sie ihre weiße Bluse, die Aja auf dem Badesteg übergezogen, Évi in einer
Schüssel gewaschen und noch feucht auf dem Küchentisch gebügelt und
zusammengefaltet hatte. Als wir losfahren wollten, kam Évi zum Tor herausgelaufen
und wedelte mit den Schuhen, meine Mutter kurbelte ihr Fenster nach unten, nahm
sie mit zwei spitzen Fingern an den Riemchen, legte sie vor den Beifahrersitz
und fuhr mit nackten Füßen nach Hause. Es hatte ein bisschen gedauert, bis sie
den Wagen anspringen ließ, nur einen kleinen Augenblick länger als sonst, aber
er war lang genug gewesen, dass Aja und ich ihn bemerken konnten.
    Etwas zog Aja zu meiner Mutter,
seit sie ihre Kleider auf den Steg geworfen hatte und kopfüber ins Wasser
gesprungen war, seit sie das Fahrrad samt grüner Gräser aus dem See gefischt
hatte und in nasser Wäsche nach Hause gefahren war. Es war gekommen und blieb,
und wenn es sich auch kaum in ihren Blicken und Gesten zeigte, konnte ich es
spüren, und ich bin sicher, Évi spürte es auch. Ein Kind wie Aja war meiner
Mutter noch nie begegnet, und sie fing gerade an, zu begreifen, wie Aja mich
überfallen hatte, wie sie mich einnahm und nicht losließ, wie ich glauben
konnte, mir sei etwas widerfahren, wenn es ihr widerfahren war. Vielleicht tat
ihr Aja auch leid, mit einer Mutter wie Évi, die ihre blauen Flecken nicht
versteckte, mit dem wirren Haar, das sie zusammenband mit Stoffresten, und
einem Vater wie Zigi, der keine Strümpfe und selten Schuhe trug, sein Geld in
einem Zirkus verdiente und davon jeden Herbst neue Farbe und Bretter kaufte,
die er an Évis Hütte festnagelte, damit sie Regen und Schnee abwehrten, wenn er
nicht hier sein konnte. Meine Mutter blieb nicht mehr am Zaun stehen, und sie
winkte nicht mehr, wenn ich kommen sollte. Früher hatte sie nicht gewusst, was
sie mit Évi reden sollte, selbst die wenigen Augenblicke am Gartenzaun hatten
die beiden kaum füllen können, schon weil Évi nicht über dieselben Wörter
verfügte wie meine Mutter, weil sie ihr auch nicht schnell genug einfielen,
nicht so schnell wie meiner Mutter, die sie mühelos zusammenfügte und
schwerelos aneinanderreihte und sich nie verfing dabei. Aber jetzt saß sie an
den Abenden mit Évi unterm Küchenfenster und ließ Aja und mir alle Zeit, die
wir brauchten, um von Stuhl zu Stuhl zu springen, um von den Bäumen ins Gras zu
fallen und zum Abschied unser Rad zu schlagen. Sie nannte Évi nicht länger Frau
Kalocs oder Éva, sie sagte jetzt Évi, so wie Évi es sich gewünscht hatte, und
sobald sie es zum ersten Mal gesagt hatte, war ich sicher gewesen, sie würde
wiederkommen, an vielen Abenden würde sie wiederkommen, ihre zimtfarbenen
Schuhe zwischen Maulwurfshügeln ins hohe Gras werfen und mit nackten Füßen in Évis
Garten sitzen.
    Als sie zum ersten Mal das Haus
betrat, wunderte sie sich über die Bilder an den Wänden, Zigis Zeichnungen, in
denen sie wenig

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