Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
Vom Netzwerk:
Karls Bruder,
dass sein Vater wieder anfing, mit der Tasche, die seine Mutter schon vor
Wochen gepackt hatte, mit Nachthemd und Morgenmantel, Unterwäsche und hellroten
Pantoffeln, die zu fein waren fürs Krankenhaus, mit dem Licht am Morgen, das
sich wie Feuer durch den Himmel zog, dem Blick aus dem Fenster auf Inseln aus
Schnee, die man an die Seiten der Bürgersteige gekehrt hatte, dem Ruß, dem
Rauch der Schornsteine und mit dem Wagen, der nicht anspringen wollte an diesem
Morgen, und den sein Vater dreimal, viermal starten musste. Dass die Hände
seines Vaters feucht und kalt gewesen waren, als er den Wagen langsam über
eisglatte Straßen lenkte, mit einer Unruhe und Ungeduld, weil er nicht
schneller fahren durfte, und wie sie anfingen, eine Melodie zu pfeifen, weil
sie wussten, am Abend würden sie ihr Kind in die hellblaue Decke wickeln, in
der schon Karl gelegen hatte, und nach Hause bringen.
    Als sie Ben nach Wochen mitnehmen
durften, wollten sie ihn kaum mehr aus den Armen geben und allein in seiner
Wiege lassen. Nachts saßen sie davor, zogen die Decke an sein Kinn, strichen
sie glatt und zupften sie zurecht, aus Angst, sie könne Ben zu schwer, es könne
ihm darunter zu heiß werden. Sie wachten über seinen Atem, und wenn sie doch
einschliefen, schreckten sie mit dem Gedanken an ein blasses Kreuz auf und
legten ihre flache Hand auf seine Brust, um zu prüfen, ob sie sich auch hob und
senkte, ob sie noch ein Klopfen darin spüren konnten. Schon wegen seiner
Gesichtsfarbe, so weiß wie Puder, wollten sie ihn immer ein bisschen zu sehr
beschützen, ihm auch später immer ein bisschen zu viel verbieten, aus Angst,
es würde ihm kalt werden, wenn er die falsche Jacke, die falsche Mütze trug,
ein Spaziergang, ein Spiel könnten ihn anstrengen, es könne ihn schwächen, wenn
er nicht genügend aß, er würde krank, wenn er zu oft die Treppen auf und ab
stieg oder zu schnell die Straße hinablief. Über allem vergaßen sie Karl,
vergaßen, sie hatten noch ein Kind, eines, das zuerst und gesund geboren worden
war, dessen Brust man nicht aufgeschnitten und zugenäht hatte, das laufen
konnte, so schnell und so viel es wollte, das fallen konnte, ohne dass seine
Eltern herbeistürzen mussten, das sie ankleiden konnten, ohne Angst, es könne
ihm zu kalt oder zu heiß werden, das essen durfte, wonach ihm war, und das
einschlief, ohne dass seine Eltern seinen Atem bewachten und in der Nacht nach
seinen Händen und Füßen tasteten.
    Es bereite ihr Schmerzen, sagte
Karls Mutter, zu sehen, wie Karl versuche, sie zu trösten, wie er jeden Tag
versuche, ein besseres Kind als alle anderen Kinder zu sein, und sie könne das
dumme Gefühl nicht vertreiben, bestraft worden zu sein, weil sie Karl in den
ersten Jahren vergessen hätten, selbst dann noch, als sein Bruder größer
gewesen sei und sie nicht mehr auf jeden seiner Schritte hätten achtgeben
müssen. Karl hatte sich zu seiner Mutter an den Küchentisch gestellt und
seinen Kopf an ihre Seite gelehnt, sie legte eine Hand auf seine Schulter, als
zögere und fürchte sie noch, wir könnten etwas sehen, das nicht für uns bestimmt
war. Mit einer ihrer langsamen, leichten Bewegungen, die Karl sicher kaum
spüren, die er nur ahnen konnte, strich sie über seinen Scheitel, über den
blassen Fleck hinter seiner Wange, wo sein braunes Haar blond wurde und die
Haut aussah wie in tausend winzige Wellen gelegt, seit dem Tag, an dem sich
Karl ins Leben seiner Eltern zurückgedrängt hatte und sie aufhören mussten,
ihn zu übersehen.
    Karls Mutter sagte, sie habe an
diesem Tag nicht nach ihren Söhnen geschaut, habe sie Türen aufreißen und durch
die Zimmer rennen lassen, über die Teppiche, die unter ihren Füßen weggerutscht
seien, übers Sofa, von dem sie die Kissen heruntergerissen hätten, und durch
die Kammer neben der Küche, in der sie die weiße Wäsche aus einem Korb genommen
und mit einem Bügeleisen geglättet habe, das sie stehen gelassen habe, um an
die Tür zu gehen und nachzusehen, wer geklopft habe. Die Brüder zogen und
zerrten aneinander, balgten sich wie junge Hunde, während einer auf dem
anderen lag, und weil sie häufig so rangen und ihr Geschrei und Gelächter in
alle Winkel des Hauses schickten, war es nichts, weshalb sie hätte nach ihnen
schauen müssen. Aber an diesem Nachmittag, in diesem Augenblick, in dem sie
zur Tür gegangen war, hatten sie sich mit den Füßen im Kabel des Bügeleisens
verfangen, hatten das Bügelbrett umgestoßen und das Eisen

Weitere Kostenlose Bücher