Bank, Zsuzsa
sagte, zog Stiefel über die nackten Füße und den Mantel
übers Nachthemd, schlug mit einem großen Stock, den sie am Abend vor die Stufen
gelegt hatte, rund ums Haus an die Wasserleitung und die Regenrinne, um das Eis
zu lösen, kochte Tee, wärmte sich die Hände im heißen Dampf und brachte das
Frühstück ins Zimmer, damit Aja unter ihren Decken blieb, bis der Tee sie
gewärmt hatte und sie ihr Bett verlassen konnte, ohne zu frieren.
Im Winter verbrachte Évi viel Zeit
am Fenster. Wenn wir an ihrem Tisch saßen und ein Blatt nach dem anderen bemalten,
mit dicken Stiften, die Évi mit dem Küchenmesser spitzte, wenn wir unsere
Lieder sangen und bunte Karten legten, mischten und neu verteilten, stand sie
neben ihren kurzen Gardinen und schaute hinaus, als könne sie den Augenblick
verpassen, in dem sich der Winter zurückziehen würde. Sobald Aja das Februarblatt
vom Kalender riss, verlegte Évi ihr Leben in den Garten und fing an, die Tage
bis Ostern an den Händen abzuzählen, so wie meine Mutter es ihr gezeigt hatte.
Es war ihr gleich, ob Himmel und Wetter mitspielten, ob es bis weit in den
April hinein eisig blieb und noch einmal Schnee auf ihr Dach fiel, auf das Zigi
im Herbst geklettert war, um es abzutasten und zu flicken. Sie packte Mützen
und Schals schon in Kisten, sobald die Tage nur länger und heller wurden, ließ
sie in ihrem neuen Schrank verschwinden, als müsse sie sofort alles loswerden,
was zum Winter gehörte, und sie blieb stur in diesen Dingen. Auch wenn der Wind
an ihren Haaren zerrte, ging Aja im April schon ohne Mütze, in dünner Jacke
und in Schuhen, die erst für den Sommer gut waren. Évi setzte Lilien in Töpfe,
obwohl jeder sagte, bis Mai werde es nachts Frost geben, und war sie an den
Nachmittagen nicht im Fotoladen, stand sie im Garten und nahm Erde aus großen
Tüten, die jemand vom Blumengeschäft im Fahrradanhänger gebracht hatte. Wenn es
nach zwei Sonnentagen und einem täuschend blauen Himmel, unter dem Évi in
ihrem Korbstuhl gesessen hatte, wieder kälter wurde, ging sie nachts im
Bademantel nach draußen, kniete im Gras, legte ihre flachen Hände auf den
Boden, und wenn er hart von Frost war, sammelte sie die Töpfe mit den Lilien
ein und stellte sie hinter den Hühnern ins Gartenhäuschen, das Zigi in einem
dieser Herbste gezimmert hatte. Aja brauchte nur die dunklen Flecken auf Évis
Bademantel zu sehen und wusste, Évi hatte nachts den Boden abgetastet und die
Kübel eingesammelt und dann, bevor Aja aufwachte, auf ihre Abdrücke im Garten
zurückgestellt, als wolle sie geheim halten, dass sie die Blumen noch vor
Frost schützen musste, als sei es ihre Schuld, dass der Frühling uns noch immer
warten ließ.
Jeden Abend zählten wir im
Kalender die Tage bis Ostern, in dreiundzwanzig, in zweiundzwanzig Tagen,
zählten wir, und Évi jammerte, wie wenig Zeit ihr bleibe, alles vorzubereiten.
Sie aß wenig in diesen Wochen, es fiel ihr nicht schwer zu verzichten, auf die
vielen Dinge, die es sonst in ihrer Küche gab, nur auf den kleinen schwarzen
Kaffee am Morgen, den sie wie Zigi in zwei Zügen aus ihrer roten Tasse trank
und nach dem sie süchtig war, wie sie oft genug sagte. Wenn Aja fragte, warum nur
sie ihr Haus noch nicht geschmückt hätten, wo man in ganz Kirchblüt schon bunte
Eier in die Vorgärten gehängt habe, schüttelte Évi den Kopf und schimpfte,
diese Leute wüssten nichts von Ostern. Sie hatte meine Mutter gebeten, dass ich
in der Osternacht und am Ostersonntag bei ihr bleiben dürfe, und weil meiner Mutter
nie viel daran lag, ließ sie es zu, vielleicht auch, weil Évi in einem Ton
gefragt hatte, als dürfe sie es ihr nicht abschlagen.
Freitags saß ich schon an ihrem
Tisch, während Évi mit der Kelle klare Suppe mit Linsen in unsere Teller gab,
die sie nur an diesem einen Tag im Jahr kochte, der in ihrer Sprache Großer
Freitag hieß und den sie weiter so nannte, weil sie fand, es klinge besser als
Karfreitag. Später stellte sie den Klappspiegel neben der Spüle auf, wickelte
ein dunkles Tuch um ihren Kopf und klopfte am Zaun ihren guten Mantel mit dem
Kochlöffel ab, weil sie nichts anderes zur Hand hatte. Dann ging sie mit ihren
schnellen, leichten Schritten zur Pforte und den Weg hinab, unter dem ersten
Grün der Bäume, um bei der Karfreitagsandacht auf die zwei roten Stickrosen
ihres Taschentuchs zu weinen. Selbst auf dem Weg zurück weinte sie noch, wenn
wir in unseren Linden saßen und schon an der Brücke sehen konnten, wie sie sich
die
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