Bank, Zsuzsa
Haus abgelaufen, zu dem meine Mutter früher den Kuchen gebracht hatte,
und als die ersten gelben und grünen Knospen sich zeigten, hatte sie mit jedem
gesprochen, für den Évi einmal gebacken hatte. Sie hatte gesagt, sie sei
sicher, sie zählten nicht zu den Leuten, die an den Unsinn glaubten, der auf
dem großen Platz und den Straßen ringsum verbreitet worden sei, und alle hatten
den Kopf geschüttelt und gesagt, nein, natürlich nicht. In der Karwoche brachte
meine Mutter Évi winkend die ersten neuen Bestellungen, die wieder anfingen
mit: Verehrte Frau Kalocs, Liebe Frau Kalocs, Liebe, verehrte Frau Kalocs. Sie
stieg schnell aus dem Wagen, öffnete das schiefhängende Tor, löste das Fliegengitter,
lief in die Küche und spießte die Zettel vorsichtig auf die Haken der
Holzleiste, als dürfe sie jetzt nur nichts falsch machen. Dann nahm sie Mehl,
Eier, Butter und die eingelegten Kirschen in grünen Gläsern aus ihrem
Einkaufsnetz, stellte alles auf den Küchentisch, setzte sich auf einen schiefen
Stuhl, breitete die Arme aus und sagte, Évi, es geht weiter.
Seit meine Mutter in den Waldsee
gesprungen war, um Ajas Fahrrad herauszuziehen, war sie mit Aja durch etwas
verbunden, das ich spüren konnte, das in ihrer Nähe sicher jeder spüren konnte,
und das Évi erst nicht hatte zulassen wollen, dem sie über die Jahre aber
nachgegeben hatte. Meine Mutter sah etwas in Aja, das andere vielleicht nicht
erkennen konnten, genauso wie Évi etwas an Karl entdeckt hatte, das die beiden
aneinanderband. Karl und Évi zählten die Zeit anders, sie teilten sie in
Einheiten, die anderen fremd waren. Wenn Karls Takt, in dem er hörte und
dachte, seit Ben verschwunden war, zwei Sekunden waren, die für ein Klack-Klack
in seinem Kopf ausreichten, so waren es bei Évi acht Minuten, die acht Minuten
eines Tages, in denen sie in weichen blauen Schuhen über ein Seil gelaufen
war, unter Zirkuskuppeln, auf einer Straße, einem Platz, unter einem
Nachmittagshimmel, acht Minuten nur, in denen sich alle Minuten ihres Tages
zusammenfanden. Noch immer legte sich ein Zifferblatt über Évis Zeit, auf dem
ein Zeiger acht Minuten lang lief, zurücksprang und von vorne begann. Obwohl Évi
angefangen hatte, ihr Leben auf alle Minuten eines Tages zu verteilen, wurde
sie den alten Takt nicht los, wenn sie im Garten nach acht Minuten Rechen und
Harke zur Seite stellte, wenn sie die Umschlage im Fotoladen in acht Minuten
in die Fächer mit den Buchstaben steckte, wenn sie nie länger als acht Minuten
brauchte, um Teig anzurühren und auf einem Blech in den Ofen zu schieben. Auch
hatte man nicht nur über Évi Lügen verbreitet, auf den Wegen rund um den
großen Platz, unter den Ästen seiner Platanen, an den Pforten und Gartenzäunen,
und im Kaffeeladen, wenn Évi gerade nicht bitteren Kakao besorgte, den wir in
Milch gerührt nie trinken wollten, sondern eine Zeitlang auch über Karl, dass
seine Mutter verrückt sei und sein Vater nicht bei Verstand, oder umgekehrt,
seine Mutter nicht bei Verstand und sein Vater verrückt.
In diesem Frühling, in dem meine
Mutter neue Bestellungen an die Holzleiste in Évis Küche gespießt hatte, war
Karl stiller geworden. Der Kirschbaum vor Ajas Fenster hatte sich erst grün,
dann weiß gefärbt, und wir freuten uns über die ersten Vögel mit blauen Federn,
die sich in die tiefhängenden Zweige setzten. Aber Karl war stiller geworden,
stiller noch als sonst, als müssten wir ihn anstoßen, damit er etwas zu uns
sagte. Er antwortete knapp auf Évis Fragen, wenn er an den Nachmittagen mit angezogenen
Knien auf den Stufen vor ihrem Haus saß und mit Stöcken in die Luft schrieb,
wenn er in seiner Linde die ersten Blätter zupfte und zwischen den Fingern
zerrieb. Wenn er Évis Fragen überging, wussten wir nie, ob er sie wirklich
nicht hörte oder ihm nur die Mühe zu groß war, sich Antworten auszudenken für Évi,
die sich nicht abschütteln ließ, auch nicht von Karls Blicken, mit denen er
übers Gras vor seinen Füßen glitt, als habe er Évi nichts mehr zu erzählen.
Seine Mutter hatte aufgehört, Karl an den Abenden mit dem Wagen abzuholen, in Évis
Küche einen Stuhl heranzuziehen und das Kästchen aus Blech in den Händen zu
halten, das Évi für Karls Bruder aufbewahrte, bis er eines Tages an ihrem Zaun
vorbeilaufen würde. Im Winter hatte Évi sie ein einziges Mal gesehen, an einem
Nachmittag, als Évi den Fotoladen früher als sonst geschlossen hatte, war sie
nicht weit von der Brücke über den
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