Bank, Zsuzsa
ihn nicht an, und Évi legte ein Küchentuch
darauf und stellte ihn in den Kühlschrank, bis es zu viele Teller wurden und
sie den Kuchen mitnahm, genauso, wie sie ihn gebracht hatte. Karls Mutter
wartete auf Évi, wenn ihr einmal zwischen Kuchenblechen und den roten
Umschlägen im Fotolabor keine Zeit geblieben war. Sie stand am Gartentor, wenn
Aja und ich mit den Rädern vorbeifuhren, hinter den gusseisernen Stäben, die
ihren Blick zerteilten, und streckte wie ein Schwan ihren langen weißen Hals,
der ihren müden Kopf hielt. Sie schaute, ob Évi in ihrer bunten Strickjacke,
aus der immer Fäden hingen, auf ihren Absätzen aus Holz am Ende der Straße
auftauchen und mit einem Teller, mit einem Korb in der Hand, mit schnellen
leichten Schritten näher kommen würde.
Nie versäumte Évi, Karls Mutter
einzuladen, ihr zu sagen, sie könnten genauso in ihrer Küche, auf ihren Stühlen
sitzen, und obwohl Karls Mutter keine Antwort für sie hatte, nahm Évi sich
vor, mit dem Fragen nicht aufzuhören, und vergaß darüber die Zeit, die das
Schilf vor dem Fenster wieder dunkel färbte und den ersten Schnee auf die
schwarzen Stäbe des Zauns setzte. Im neuen Jahr, in den Wochen vor Ostern kam Évi
seltener, weil sie vor den Feiertagen und dem Weißen Sonntag mit dem Backen
kaum nachkam, vergaß aber nie, über Karl Grüße an seine Mutter zu schicken.
Als die Eisheiligen im Mai von milder Luft verjagt wurden, ging ich mit Évi und
Aja langsam über den Feldweg, wie es manchmal nach der Messe unsere Art war,
wenn wir alle vier, fünf Schritte stehen blieben, um in den Pfützen und im
Bachbett nach Fröschen zu suchen. Als wir uns ins Gras setzten, Évi und Aja in
ihren guten Mänteln und mit schiefsitzenden Hüten, unsere Schuhe abzogen, um
ein wenig barfuß zu gehen, sahen wir hinter den Linden ein Auto halten. Évi
sprang auf, ging weiter und legte eine Hand wie einen Schirm über die Augen,
weil das Mittagslicht sie blendete, und als sie Karls Mutter erkannte, fing
sie an, schneller zu laufen. Karl hatte seine Mutter dazu gedrängt, wie er
sagte, er war die vielen Grüße und Einladungen leid, die er ausrichtete und
die immer unerwidert blieben. An diesem Morgen hatte er seine Mutter an den Ärmeln
ihres Kleids aus dem Haus gezogen und zum Wagen geschoben, hatte die Tür
geöffnet, den Schlüssel ins Zündschloss gesteckt, sich nach hinten gesetzt und
gewartet, bis seine Mutter losgefahren war. Auf Évis Zeichen blieben wir vor
dem Fliegengitter sitzen wie folgsame Hunde. Évi zog den Hut und den guten
Mantel mit den Grasflecken aus, und Karls Mutter folgte ihr in die Küche, wo
sie schon oft gesessen und das Kästchen geöffnet hatte, das Évi für Ben
aufgehoben hatte. Évi ließ Karls Mutter allein, sie glaubte, wie früher würde
sie die Murmeln darin berühren wollen, aber sie nahm es nicht vom Regal, auch
an keinem der nächsten Sonntage, an denen sie jetzt kam, ohne dass Évi sie noch
einmal hätte einladen müssen. Évi fing an zu glauben, das Kästchen habe Karls
Mutter die Sprache genommen, allein die Vorstellung, dass es hier war, habe
sie verstummen lassen, der Gedanke, es lag in Évis Küche, umgeben von
staubigen Feldwegen, die sich zum Wald zogen, in dem sie nach Ben gesucht
hatten, habe ihr die Wörter geraubt, und sie schlug vor, einen anderen Platz
dafür zu finden. Karls Mutter schüttelte den Kopf und sagte, es sei nicht das
Kästchen, sie wolle nur sitzen und schauen, wie sich das Schwarz vor ihren
Augen entferne, wie es sich zurückziehe, jedes Mal, wenn sie in Évis Küche
sitze, unter ihren Rosen aus Papier, und während wir Kinder uns umschauten,
als suchten wir danach, als könnten auch wir es sehen, dieses Schwarz, das
Karls Mutter die Sicht nahm, nickte Évi und sagte, sie solle sitzen und warten,
sie solle so lange bleiben, bis es ganz verschwunden sei. Karls Mutter sagte,
es stimme nicht, was man ihr wenige Wochen nach Bens Geburt gesagt habe, sie
habe das Schlimmste hinter sich, nur weil sich da zwei Narben auf seiner Brust
gekreuzt hätten. Das hier sei das Schlimmste, weil sie Ben noch immer sehe,
weil er auftauche, zehnmal, zwanzigmal nebeneinander, um hinter Karl durchs
Schultor zu laufen, durch ihren Garten mit dem Schilf, durch die Straßen von
Kirchblüt, über den großen Platz unter Platanen, im Sommer unter ihren grünen
Blättern, im Winter unter ihren nackten, gestutzten Ästen, die sich streckten,
als wollten sie nach ihm greifen, wenn er an ihr vorbeiging, ohne sie
anzusehen,
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