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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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zwischen ihren
gelben Blättern, die wir hatten hinabsegeln lassen, im Sommer unter ihren
Pollen, die wie Fäden aus Watte an unserer Haut haften geblieben waren. Wir
ließen die hellen Tage hinter uns, in denen wir leicht durch die Minuten und
Stunden gesprungen waren, uns im Kreis immerzu nur um uns selbst gedreht
hatten, in unserer winzigen, fest abgesteckten Welt zwischen Évis Garten, dem
Schultor, dem Glockenschlag des Kirchturms und den Wegen hinaus zu den
Erdbeerfeldern, wo unsere Blicke nie über die Ränder gereicht hatten. Nie
hatten wir uns um etwas kümmern müssen, weil sich diese Welt auch ohne unser
Zutun im selben Takt, mit demselben Klang ununterbrochen weiterbewegt hatte.
    Über Aja kamen diese Jahre, die
unsere Kindheit ablösten, wie eine Krankheit, die für den Moment unheilbar
blieb, gegen die sie nichts tun und nichts nehmen, der sie nur entwachsen
konnte. Schon am Morgen erklärte sie Évi ihren Krieg, und es störte sie nicht,
wenn Karl oder ich dabei waren, und weil Évi keine Lust hatte, schon beim ersten
Kaffee gegen Aja antreten zu müssen, nahm Aja ihre roten Schlittschuhe von dem
schwarzen Haken an der Tür, hängte sie über die Schulter, sprach, nachdem sich Évi
ihr verweigert hatte, zu den Tauben in ihrer Linde, zu den Krähen auf den
Feldern, mit ihren lauten, schnell gesetzten Wörtern, sprang über Pfützen und
lief den schmalen Weg zur Brücke über den Klatschmohn, als sei ihr kalt, als
fröstele sie, die Schultern hochgezogen, als wolle sie Hals und Ohren
verstecken, die Hände tief in ihren Manteltaschen, weiter über den großen
Platz, wo sie auf der anderen Seite hinter Zäunen und Hecken einbog und aus
meinem Blick verschwand. Aja verbrachte mehr Zeit auf der Eisbahn als mit Karl
und mir, und wenn wir zusammen sein wollten, mussten Karl und ich auch
Schlittschuhe überziehen oder Aja von den klammen Holzbänken aus zuschauen,
wenn sie Anlauf nahm, den Oberkörper leicht nach vorne beugte, wenn sie die
Arme ausbreitete, mit wenigen großen Schritten schneller wurde und aussah, als
wolle sie sich selbst entkommen.
    Die Tage waren fern, an denen Aja
auf dem großen Platz so gebrüllt hatte, dass sie rote Flecken bekommen hatte
und die Menschen zusammengelaufen waren, und Évi hatte schon vor einer Weile
angefangen, darüber zu lachen. Was jetzt kam, war schlimmer, weil es morgens
schon da war und bis zum Abend anhielt, und weil Aja nicht ein einziges Mal
aufhören konnte, auf Évi herabzuschauen, als sei sie plötzlich größer geworden
und über Évis Scheitel hinausgewachsen. Sie schien Freude daran zu haben, Évis
Aussprache nachzuäffen und ihr die Fehler vorzuhalten, die sie noch immer in
jedem Satz machte. Wenn Évi Artikel vertauschte und Zeitformen verwechselte,
verbesserte Aja sie in einem Ton, in dem alles nach Vorwurf klang, als sei Évi
eine Schülerin, die sich nie genügend anstrengte. Évi setzte Endungen an die
Wörter, wo sie nicht hingehörten, sie sprach die As und Es noch immer sonderbar
aus und bildete die Mehrzahl so, dass Karl und ich früher hatten darüber lachen
müssen. Jetzt, da Aja sie immer wieder daraufstieß, wollte Évi nicht mehr
aufhören, darüber zu schimpfen, wer diese Artikel vor die Wörter gestellt habe,
warum es das Haus, aber die Treppe heißen müsse, warum der und nicht die Mond,
wo es doch ein weiblicher Mond sein müsse, weil doch auch die Sonne eine
weibliche Sonne war. Je langsamer dabei die schnellen, leichten Bewegungen
ihrer Hände wurden, desto wilder und heftiger wurden Ajas, und Évi konnte kaum
mehr einen Satz sagen, ohne dass Aja die Hände hochnahm, um sie zu unterbrechen
und zu verbessern, in diesem spitzen, kläffenden Ton, der nach den kleinen
Hunden klang, die in Kirchblüt an den Zäunen hochsprangen und bellten, wenn
wir mit den Rädern vorbeifuhren. Aja redete so, bis Karl und ich es nicht mehr
aushielten, wir wollten nicht mehr hören, wie sie mit Évi umging und ihr nach
jedem Satz vorschrieb, wie sie ihn zu betonen hatte. Manchmal sagte Évi in
ihrer Sprache dann etwas wie: Der liebe Gott schlägt nicht mit dem Stock, und
Aja übersetzte es für Karl und mich und verdrehte die Augen. Je verzagter, je
stiller Évi wurde, je weniger Lust sie hatte, etwas zu sagen, je länger sie die
Wörter in ihrem Mund ließ und zwischen den Zähnen hin- und herschob, bevor sie
hinausdurften, desto schneller und lauter sprach Aja, und es hörte sich an,
als habe sie Gift in ihre Stimme gemischt, als habe sie Gift geschluckt,

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