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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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das
ihren Mund verzerrte und ihr lautes Reden noch lauter werden ließ.
    Mich schmerzte es, wenn ich beide
so sah, weil ich niemanden kannte und niemandem begegnet war, der inniger miteinander
gewesen wäre, als Évi und Aja es gewesen waren, selbst wenn sie nur
nebeneinander gelaufen waren, ihre flinken Schritte aufeinander abgestimmt,
schon wie Évi über Ajas Haar gestrichen hatte, über die dunklen, störrischen
Strähnen, wie sie ihren Blick auf Aja gerichtet und ihr zugenickt hatte, als
könne nichts wichtiger sein als das, was Aja ihr zu sagen hatte, und wie sie
Aja an den Schultern gefasst hatte, wie sich die beiden überhaupt immerzu an
den Händen gehalten und berührt hatten. Wenn Aja ihr später doch einen Kuss zum
Abschied gab und Évi sagte:
    Lass deine Judasküsse, fragte ich
mich, ob ich die beiden noch lange beim Waldsee finden würde, wie in allen Sommern
zuvor, wenn ich ihre Stimmen schon von weitem gehört hatte, ihre Rufe, ihr
lautes Lachen, wenn sie ungestört waren, wenn sie sich allein und unbeobachtet
geglaubt hatten, wenn Aja die Arme auf Évis Schultern gelegt und sich
festgehalten hatte, wenn sie auf Évis Rücken am Steg vorbei auf die andere
Seite geschwommen war, wenn sie die Luft angehalten hatten, kopfüber
hinabgetaucht waren, ihre Hände an einer flachen Stelle auf den Grund gesetzt
und ihre schmalen Füße aus dem Wasser gestreckt hatten.
    Wenn auch ihr Körper nicht
weiterwuchs, wuchs Ajas dunkles, wirres Haar, das sie von Zigi haben musste,
schneller, als unser Haarwuchs, und ihre Gedankenbewegten sich schneller durch
ihren Kopf, als müssten sie kaum Wege und Strecken zurücklegen, als strebten
sie weg von Ajas Körper, der bei dieser Geschwindigkeit nicht mithalten konnte
und das Wachsen lieber aufgegeben hatte. Aja ließ ihre Einfälle aus ihrem Mund
sprudeln, und Karl und ich mussten die Hand heben, um ihr zu bedeuten, sie
solle sich zurückhalten, sie solle auch uns wieder zu Wort kommen lassen. Aja
begriff und lernte ohne Widerstände, und trotzdem sprach sie in der Klasse
manchmal so, als hetze sie jemand, alles in Eile zu sagen, als habe sie keine
Zeit zu verlieren, als müsse sie ihrem kleinen Körper etwas entgegensetzen, als
könne sie ablenken davon, dass alle anderen sie im Wachsen überholten und an
ihr vorbeizogen, als könne sie den Abstand durchs Reden aufheben und einen
Vorsprung wenigstens in Gedanken haben. Als Aja nach Kirchblüt gezogen war, war
bald klar gewesen, sie würde aufs Gymnasium gehen, weil sie in der Schule zu
den Besten und Schnellsten gehörte, man hatte Évi sogar angeboten, Aja dürfe
ein Jahr überspringen. Évi hatte Angst davor gehabt, nicht nur, weil Aja dann
noch kleiner sein würde als die anderen, sondern weil sie ihr nicht würde
helfen können, weil sie selbst nur wenige Jahre zur Schule gegangen war und
auch das zu weit zurücklag, weil sie nicht zurechtkäme mit all den Wörtern, wie
sie geschrieben würden, was sie bedeuteten und welchen Artikel sie hätten. Mit
der Zeit verflog ihre Angst, weil sie sah, Aja brauchte niemanden, der etwas
erklärte, sie verstand alles wie von selbst, Évi musste nur den Küchentisch
leerräumen und das Buch aufschlagen, aus dem sie lernen sollte. Während Aja
Seite für Seite mit den drei Fingern ihrer rechten Hand umgeblättert, mit
blauer Tinte in ihre Hefte geschrieben hatte, während sie Buchstabenreihen auf
die vorgezeichneten grauen Linien gesetzt und unter die Absätze farbige
Girlanden gemalt hatte, hatte Évi im Türrahmen gestanden, ohne sich zu rühren,
und wenn Aja ihr Heft später zusammengeklappt hatte, hatte Évi die Stifte
genommen und sie mit dem scharfen Obstmesser gespitzt.
    Als wir aufs Kirchblüter Gymnasium
gingen und Karl und ich im Lernen bald nachließen, als wir nur noch müde waren
vom Sitzen und Zuhören und uns nichts mehr daran gefallen wollte, blieben Ajas
Freude und ihr Eifer, und sie versorgte Karl und mich mit den Aufgaben, die sie
schnell am Küchentisch gelöst hatte, auf dem Évi ihr Nähzeug, ihre Tassen und
Teller beiseitegeschoben hatte, unter dem schiefen Fenster, in das sich Meisen
setzten, wenn Évi am Morgen Körner gestreut hatte. Aja reichte uns die Lösungen
auf einem Bogen Papier, und Karl und ich setzten sie Zahl für Zahl, Wort für
Wort in unsere Hefte, im Sommer unter den Platanen des großen Platzes, im
Winter auf den Treppen der Schule, bevor es zur ersten Stunde läutete. Aja war
eines der wenigen Kinder, die nicht in den breiten ruhigen

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