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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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Sicherheitszone, mein Hafen.« Sie wurde lauter. »Micky hatte nichts. Nicht einmal mich. Ich konnte ihn nicht beschützen.« Ihre Stimme klang plötzlich schrill. »Ich konnte nichts für ihn tun. Ich habe es versucht, aber es ging nicht!« Sie trat das Gaspedal nieder, und der Wagen schoß vorwärts. Gina umklammerte mit ängstlichem Blick den Griff über der Beifahrertür.
    Vor ihnen sprang eine Ampel auf Rot. Der Wagen kam mit quietschenden Bremsen zum Stehen. Johanna starrte angestrengt geradeaus durch die Scheibe. »Tut mir leid.«
    »Warum denn? Sag es ruhig! Du darfst nicht alles in dich hineinfressen!« Gina zögerte. »Seit dem Tod deines Bruders und deines Mannes habe ich dich nicht weinen sehen.«
    »Niemand sieht mich weinen.« Johanna fuhr wieder an, diesmal gemäßigter. »Wenn ich weine, bin ich allein. Auch eins der Dinge, die ich im Heim gelernt habe. Weinen stört die anderen.« Grob fuhr sie fort: »Das ist wie beim Onanieren, mußt du wissen. Es ist nur im Dunkeln erlaubt, unter der Decke und möglichst geräuschlos.«
    Gina erwiderte nichts. Schweigend starrte sie auf den Main, den sie gerade überquerten. Er erstreckte sich als träge graue Masse zu ihrer Rechten, gesäumt von Industrieanlagen und Bürogebäuden, die im rötlichen Licht der Abenddämmerung am Horizont verschwammen. Die Straßen und Brücken waren erleuchtet; zahllose Neonpunkte bildeten eine kalt glitzernde Galaxie, die sich ausbreitete und dort anstieg, wo die Skyline der Banken aufragte, bis sie im klaren Himmel oberhalb der Vorstandsetagen abgelöst wurde vom ewigen Feuer der wirklichen Sterne.
    Schweigend führen sie nach Sachsenhausen zurück, wo sich Johannas Schlupfwinkel befand. Sie bewohnte eines von vier Apartments im obersten Geschoß eines fünfstöckigen Mietshauses. Die Mieter, zumeist Singles, kamen und gingen zu allen Tages- und Nachtzeiten, ohne daß sich einer um den anderen scherte. Das ideale Versteck.
    Von den Bewohnern, denen sie unterwegs begegneten, schenkte niemand den beiden Frauen mehr als einen flüchtigen Blick, als sie den Wagen in der Tiefgarage abstellten, zu den Aufzügen gingen und in den fünften Stock fuhren. Gina zog den Nerzmantel aus und verschwand wortlos in der Küche, wo sie begann, sich mit Essensvorbereitungen zu beschäftigen.
    Während Johanna im Schlafzimmer den voluminösen Sweater und die Fellstiefel abstreifte, erwog sie einige Sekunden lang, ins Bett zu kriechen und sich die Decke über den Kopf zu ziehen. Die Verlockung, die Welt auf diese Weise zum Verschwinden zu bringen, war fast unwiderstehlich. Vielleicht würde ihr Halsweh besser werden, wenn sie sich hinlegte. Ein Blick auf ihre Armbanduhr sagte ihr, daß sie noch viel Zeit hatte. Sie könnte zwei, vielleicht sogar drei Stunden schlafen, bevor Fabio käme. Doch dann entschied sie sich dagegen. Sie hatte in den vergangenen Wochen zu oft erlebt, wie reizbar und niedergeschlagen sie war, wenn sie tagsüber geschlafen hatte. Heute wollte sie wach bleiben. Hellwach und angespannt bis zur Schmerzgrenze, so wie jetzt. Sie wollte das, was sie in der kommenden Nacht vorhatte, durch nichts aufs Spiel setzen. Danach würde sie genug Zeit zum Schlafen haben. Den Rest ihres Lebens.

14. Kapitel

    Fabio hängte in der Küche des Forchetta seine Kochschürze an den Nagel und wusch sich am Waschbecken im angrenzenden Personalraum die Hände. Die meisten seiner Leute waren bereits gegangen. Zwei der Mädchen erledigten in der Küche letzte Spül- und Aufräumarbeiten. Giuseppe, angetan mit Schürze und weißem Tuch um die Stirn, stand an der Arbeitsfläche und filetierte Rindfleisch, das über Nacht mariniert werden sollte. Im Lokal sortierte Carlo saubere Gläser in das Regal hinter der Bar, wusch seine Shaker aus und löschte anschließend das Licht. Er kam in die Küche, kniff einem der Mädchen im Vorbeigehen in den Hintern und eilte, verfolgt von einem aufgebrachten italienischen Wortschwall, nach nebenan in den Personalraum, wo er seine Keeperschürze auszog und seine Jacke aus einem der Spinde nahm.
    Fabio stand immer noch vor dem Waschbecken, gedankenverloren seine Fingernägel mit einer Wurzelbürste bearbeitend. Er vibrierte vor Erwartung, obwohl er den ganzen Tag seit dem Morgengrauen auf den Beinen war und auch in der vergangenen Nacht nicht viel geschlafen hatte. Johanna hatte sich ruhelos hin- und hergeworfen, gequält von den Traumbestien, die sie verfolgten und Krallen in ihren ungeschützten Leib schlugen. Sie war

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