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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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führte durch die nächtlichen Straßen des Westends, vorbei an den Prachtvillen mit den großen Anwaltssozietäten, Versicherungsagenturen und Maklerfirmen. In vielen der Büros wurde noch gearbeitet.
    Sie fuhren durch die Innenstadt in südöstlicher Richtung. Ihr Ziel war eine Diskothek in der Nähe der Kaiserleibrücke, die Frankfurt von Offenbach trennte.
    »Was ist das für ein Schuppen?« fragte Carlo. Er betätigte die Scheibenwischer. Ein leichtes Schneetreiben hatte eingesetzt und ließ die Straßenbeleuchtung verschwimmen.
    »Ein Tanzpalast, so eine Art Vorstadtdisco. Netter Service, gute Musik. Nicht so ultimativ flippig und laut wie im >Fantasy-Garden<, eher dezent. Man kann sich nebenbei sogar unterhalten, wenn man will. Housemusic, aber soft. Nicht zuviel Techno, und wenn, dann gemäßigt.«
    Carlo zog eine Grimasse. »Das machst du mit Absicht.«
    »Was?«
    »Mich daran erinnern, daß ich alt bin.«
    »Du bist vier Jahre älter als ich.«
    »Stimmt. Eine andere Generation. Warst du schon da?«
    »Drei-, viermal. In letzter Zeit überhaupt nicht.«
    »Bist du sicher, daß sie dort ist? Was ist, wenn sie ausgerechnet heute abend woanders hingeht? Oder wenn schon jemand sie abgeschleppt hat?«
    »Johanna hat gesagt, daß sie freitagabends immer dort ist. Und daß sie nie vor zwei nach Hause geht.«
    »Und wenn sie es nicht dabei hat?«
    »Carlo, es gibt viele Wenn. Wir müssen es darauf ankommen lassen.«

    Hildas Freundin war vor fünf Minuten in Richtung Toiletten verschwunden, um ihr Make-up aufzufrischen. Hilda saß zurückgelehnt im gepolsterten Sessel einer der Sitzgruppen und nippte an ihrer Piña Colada. Sie hatte seit dem Mittagessen keine einzige Kalorie zu sich genommen, um sich an diesem Freitagabend guten Gewissens ihre üblichen zwei Longdrinks leisten zu können. Sie fühlte sich prächtig. Wenn sie die Augen zusammenkniff, erkannte sie auf einem verspiegelten Wandstück im Hintergrund des Tanzlokals ihr Konterfei. Sie war mehr als zufrieden mit ihrem Aussehen. Eine neue Blitzdiät hatte ihr in der vergangenen Woche fast sieben Pfund Gewichtsverlust beschert. Ihre übereinandergeschlagenen Beine steckten in hautengen, smaragdgrünen Samtleggins. Das eine Farbnuance hellere Top war mit Spitzen an Ärmeln und Ausschnitt garniert und ließ viel von der blassen Haut ihres Dekolletes sehen. Ihr Haar war zu einem verspielten Lockentuff über dem rechten Ohr zusammengerafft, und das perfekte Make-up ließ ihr rundlich-hübsches Gesicht fünf Jahre jünger wirken. Seit langem hatte sie sich am Ende einer Arbeitswoche nicht mehr so wohl gefühlt. Das lag nicht etwa daran, daß sie keine Arbeit mehr gehabt hätte. Zwei Tage nach dem Verschwinden ihrer Chefin und den Aufregungen um den Tod Leo Herbsts war sie zur zweiten Sekretärin des Vorstandsvorsitzenden aufgerückt. Die Chefsekretärin hatte ihr von Anfang an mehr als genug Schreibarbeit aufgehalst, aber dafür war sie in seiner Nähe. Sie wartete begierig darauf, daß er seine Ankündigung wahrmachen und sie einladen würde, aber bisher war es nicht dazu gekommen. Er war zu eingespannt. Sein Terminkalender war zum Platzen voll und ließ ihm kaum Zeit für sein tägliches Steak. Aber sie wußte einfach, daß er es bald tun würde. Er hatte es versprochen. Er würde zu ihr kommen und sie bitten, mit ihm ein Spielkasino zu besuchen. Und danach... Sie hatte sich für diesen Anlaß von ihrem Weihnachtsgeld ein Abendkleid und rotseidene Dessous gekauft. Seufzend trank sie abermals und genoß das süße Gemisch aus Rum, Sahne, Kokos und Ananas. Dann legte sie den Kopf zurück und lauschte. Wie immer, wenn sie Phil Collins’ unwiderstehliche, leicht rauhe Stimme hörte, hatte sie das Bedürfnis, aufzuspringen und die Welt zu umarmen. Sie summte die Melodie von Every day mit und ließ ihre Blicke über die Tanzfläche schweifen, wo sich die Paare eng umschlungen wiegten. Hilda liebte die Atmosphäre und die Musik im >Topas<.
    Sie blickte auf, als ihre Freundin zurückkam. Das künstliche Rot ihrer Wangen hatte in der matten Beleuchtung einen leichten Lilastich. Sie setzte sich mit einstudierter Grazie auf den Sessel neben Hilda und wendete hungrig den Kopf hin und her. Sie hatte nicht nur denselben Musikgeschmack wie Hilda, sondern war wie diese Mitte dreißig und geschieden. Beide hatten dieselben Gewichtsprobleme, und beide träumten jeden Freitagabend von ihrem wahren und einzigen Prinzen. Manchmal gingen sie auf eine der in Mode gekommenen,

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