Bankgeheimnisse
Fabio die ganze restliche Nacht neben ihr gewacht haben mußte, bevor er vor Erschöpfung eingeschlafen war.
Sie flüsterte seinen Namen. Ihr Hals tat weh, wenn sie sprach, aber es war nicht so schlimm wie gestern. Er öffnete blinzelnd erst ein Auge, dann das andere. »Ciao, bella«, murmelte er.
» Ciao. Was ist los mit mir?« fragte sie mit belegter Stimme.
Fabio setzte sich auf, streckte sich und strich mit beiden Händen die Haare zurück. Er sah furchtbar aus. Unter seinen Augen lagen dunkle Ringe, und um seinen Mund hatten sich Furchen eingegraben. »Du hast Scharlach.« Leise stöhnend dehnte er die Schultermuskeln und massierte seinen verspannten Nacken. »Scharlach? Ist das nicht ziemlich schlimm?«
»Ich glaube, früher sind sogar viele Menschen dran gestorben. Heute gibt es Penicillin dagegen. Du bist über den Berg, aber du mußt das Antibiotikum weiternehmen. Wie fühlst du dich?« Er legte die Hand an ihre Wange. »Dein Fieber ist weg.«
»Ich fühle mich trotzdem nicht besonders. Schlapp. Schwach. Ich habe Durst.«
Er stand auf, verließ das Zimmer und kam mit einem Glas Wasser zurück. Er hielt ihren Kopf, und sie trank in durstigen Zügen. Die Anstrengung ließ sie nach Luft ringen. »Mein Gott, bin ich fertig. Ich fühle mich zerschlagen wie nach einer Tracht Prügel.«
»Die hättest du tatsächlich verdient, nach all dem, was du gestern angestellt hast.«
Johanna sah ihn fragend an. Fabio seufzte und berichtete, wie er sie aus dem eiskalten Badewasser gezogen hatte. Er verschwieg, daß Gina und er um ihr Leben gebangt hatten. Wortlos goß er etwas von dem Medikament in einen Meßlöffel und schob ihn ihr in den Mund. Sie verzog das Gesicht. »Bitter. Was ist mit dir?«
»Was soll mit mir sein?«
»Vielleicht solltest du auch von dem Zeug nehmen. Ich wette, du hast dich bei mir angesteckt.«
Er zuckte die Achseln und setzte sich zu ihr auf die Bettkante. »Wenn es so ist, wissen wir es bald. Jetzt erzähl mir, was gestern in der Bank los war.«
Sie schloß die Augen. »Ich habe die Akte, Fabio. Ich habe sie!«
Er atmete hörbar ein und starrte sie überrascht an. »Ich fasse es nicht! Du hast sie! Verrückt, das ist verrückt! Wo hast du sie ausgegraben? Dein Notebook, war es noch drauf?«
»Nein, natürlich war es gelöscht. Du hattest völlig recht, diese Mühe hätte ich mir sparen können. Aber dafür habe ich Helmberg getroffen. Er hatte eine Kopie, der schlaue alte Fuchs.«
»Helmberg? Das ist der Syndikus, oder?«
Sie nickte. »Ja. Ich habe versprochen, ihn anzurufen, heute abend, nachdem du... Hilda die Karte wieder zugesteckt hast. Er hat Angst. Nicht um sich, aber er hat Familie. Bei der Polizei werde ich sagen, daß ich ein Schließfach von Leo ausfindig gemacht habe, wo er die Akte aufbewahrte. Wie spät ist es eigentlich jetzt?«
Fabio blickte auf seine Armbanduhr. »Gleich eins.«
»Wann bist du mit Hilda im >Topas< verabredet?«
»Über Hilda denken wir später nach. Im Augenblick haben wir andere Sorgen.« Er stand auf, ging zum Schrank und holte zwei Reisetaschen heraus. Zügig räumte er Kleidungsstücke und Schuhe aus den Fächern und begann zu packen.
»Was hast du vor?«
»Es wird Zeit für einen Ortswechsel. Gestern nacht war ein Arzt da. Ich habe mir eine Geschichte ausgedacht, aber ich glaube nicht, daß er sie geschluckt hat. Vielleicht hat er die Artikel in der Zeitung gelesen. In diesem Fall wird er sich den Rest zusammenreimen und darauf kommen, daß du die gesuchte Bankangestellte bist. Kann sein, daß er es der Polizei erzählt.«
Johanna stemmte sich mühselig auf die Ellbogen. »Wohin sollen wir denn gehen?«
»An einen Ort, wo wir sicher sind. Ich habe es vergangene Nacht mit Gina durchgesprochen.« Fabio blickte abermals auf die Uhr. »Wir brechen in einer guten Stunde auf.« Er schaute hoch und sah sie an. »Du mußt etwas Warmes anziehen. Es ist sehr kalt.« Johanna erwiderte wortlos seine Blicke. Mit den wirr abstehenden Haaren und den riesigen Augen wirkte sie wie ein kindliches Gespenst. Nachdem der Arzt gegangen war, hatte Fabio ihr eines seiner T-Shirts angezogen, in dem ihr zierlicher Körper fast ertrank.
»Ich werde dich tragen«, sagte er mehr zu sich selbst. »Gina geht mit den Taschen voraus und sondiert die Lage.« Er zog an der fertig gepackten Tasche den Reißverschluß zu und begann, die andere mit Sachen vollzustopfen.
»Wo ist Gina überhaupt?« fragte Johanna. »Im Forchetta? Oder zum Einkaufen?«
»Keine Ahnung. Wo
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