Bankgeheimnisse
als das Laufen. Sie wunderte sich darüber. Als das Rollgitter sich hob, lachte sie wie ein Kind. Der freundliche Wachmann hatte das getan. Sie hatte Glück, daß es noch höfliche Männer gab. Am Ende der Rampe streifte sie einen Pfeiler. Stein knirschte gegen Blech. Fabio würde sich ärgern, so wie er sich über ihre abgeschnittenen Haare geärgert hatte. Aber sie würde ihn beruhigen. Sie schaffte es immer, ihn zu beruhigen und auf ihre Seite zu ziehen. Fabio stand ja sowieso auf ihrer Seite. Er liebte sie. Johanna dachte angestrengt darüber nach, ob auch sie ihn liebte. Sie stellte sich vor, daß er nicht mehr da wäre. Daß er weit weg wäre, an einem anderen Ort, so wie Micky, Leo und Harald Klingenberg. Der Gedanke, daß Fabio auch an diesem Ort wäre, tat ihr weh. Sie weinte.
Sie schwebte in einem gläsernen Tümpel, in dem kalte Frösche schwammen und nach ihr schnappten. Die harten kleinen Mäuler zerrten an ihrer Haut und versuchten, sie unter die Oberfläche zu ziehen. Sie hatten böse, quakende Stimmen. »Komm schon, Johanna, komm!« Dann wurden aus den Mäulern Krallen, die sich in ihre Schultern und Arme gruben. Ihr Hals war zugeschwollen, sie konnte nicht mehr atmen, und sie fühlte, wie die krallenbewehrten Finger das Leben aus ihr herauspreßten. Die Kälte, die aus den gläsernen Tiefen stieg, drang bis in ihre Knochen, ließ auch sie zu Glas werden, das unter der leisesten Berührung zersplitterte und sich in rieselnde Springbrunnen aus feinen Scherben verwandelte. Da waren Wiking, der fette Strass und ein gesichtsloser Mann mit Krallennägeln, der Ernst hieß. Die drei standen am Ufer des Glasteichs und griffen nach ihr, um sie zu zerbrechen. Johanna erkannte auch die beiden Schergen, den mit dem bösen silbernen Auge, und den anderen, der Chen hieß und Chinese war.
»Nein«, stieß sie rauh hervor, »geht weg, ihr kriegt mich nicht!« Sie versuchte, die tödlichen Hände abzustreifen, aber es gelang ihr nicht. Sie wimmerte vor Angst und Schmerz.
»Johanna, mein Gott, komm zu dir! Willst du ertrinken?« Fabio stand vor der Wanne und zerrte ihren schlaffen Körper aus dem eiskalten Wasser. Er hob sie auf die Arme und trug sie ins Schlafzimmer. Sie schlug kraftlos um sich, wehrte sich gegen die Männer, die sie in ihrer Fieberphantasie angriffen. »Johanna, hörst du mich?« schrie er sie an. Sie war nicht ansprechbar. Ihr Kopf rollte auf dem Kissen hin und her, sie stammelte wilde Verwünschungen. Ihre Stimme klang, als spräche sie durch knirschenden Kies. »Gina?« brüllte er verzweifelt. Seine Schwester kam schwer atmend ins Zimmer gerannt, einen Stapel Handtücher in den Armen. Er entriß sie ihr und begann fieberhaft, Johannas nassen Körper zu frottieren.
»Sie ist so kalt«, stammelte er.
»Ich rufe einen Arzt. Du mußt sie wärmen, bis er kommt.«
Sie drehte sich entschlossen um und ging zum Telefon. Fabio riß sich den durchnäßten Pullover und die noch von draußen ausgekühlten Jeans mitsamt Schuhen herunter und stieg zu Johanna ins Bett. Er preßte ihren eiskalten Körper an sich und zog die Decke über sie beide. Mit raschen, harten Bewegungen rieb er ihren Rücken und ihre Arme und fluchte italienische Worte in ihre tropfnassen Haare. »Warum hast du das gemacht? Verdammt, weißt du überhaupt, wie nahe du dran warst zu ertrinken?«
Gina kam ins Schlafzimmer, den seidenen Morgenmantel vor der Brust zusammenraffend. »Der Arzt ist unterwegs.«
»Sie ist einfach an Carlo und mir vorbeigerast. Sie muß sofort hierhergefahren sein. Ein paar Minuten, und ich wäre zu spät gekommen! Ein paar Minuten bloß! Wenn Carlo mich nicht beredet hätte, zuerst hier nachzuschauen! Ich war drauf und dran, zur nächsten Polizeiwache zu laufen! Verflucht, warum habe ich mich bloß auf so einen Unfug eingelassen! Ich wußte, daß dieser ganze Plan nichts einbringen würde als eine Menge Ärger!« Mit einer Hand schob er ein Handtuch um Johannas Kopf und rieb die Haare trocken.
»Es tut mir so leid!« Ginas Augen waren weit aufgerissen vor Entsetzen. »Ich weiß auch nicht, warum ich sie nicht gehört habe!« Fabio umschlang Johanna fester. Als er spürte, daß ihr Körper sich langsam erwärmte, wurde er ruhiger. »Sie muß absichtlich leise gewesen sein. Vielleicht wollte sie dich nicht wecken.«
»Aber warum? Warum läßt sie sich um vier Uhr früh ein Bad ein? Mit kaltem Wasser?«
»Vielleicht, weil ihr heiß war.« Noch während er das sagte, erkannte er, daß es so gewesen sein
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