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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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Schneetreiben auf. Er war groß, vierschrötig gebaut und trug wie der andere einen wattierten Parka und eine Mütze mit Ohrenklappen. Er hatte die Augen gegen den dichten Schneefall zu Schlitzen zusammengekniffen, doch Gina erkannte sofort, daß das eine viel heller als das andere war. Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus und begann dann, wie ein gefangenes Tier in ihrem Brustkasten zu rasen.
    »Jorge. Das wurde aber auch Zeit.« Strass’ Stimme zitterte vor Wut und Erleichterung. »Sie wollten nur eine halbe Stunde wegbleiben. Es hat mindestens doppelt so lange gedauert, Sie Kretin!«
    »Was ist das?«
    »Was weiß ich. Ist Französisch. Tun Sie etwas, verdammt!«
    »Wo liegt das Problem?«
    »Sie will nicht mitgehen!«
    »Wirklich?« fragte Jorge. Es klang freundlich. Auch sein Lächeln war gutmütig. »Sie sind zu weich, Strass. Keine Überredungsgabe. Vielleicht überzeugt sie das hier.« Er zog eine Pistole aus der Tasche seines Parka und winkte mit dem Lauf. Strass stieß Gina an, und sie setzte sich stolpernd in Bewegung.
    »Ich sage nichts«, schluchzte sie. Die beiden Männer hatten einander beim Namen genannt. Sie unternahmen keinen Versuch, ihre Identität vor ihr geheimzuhalten. Sie wußte, was das für sie bedeutete.
    Jorge lächelte mit schmalen Lippen. »Sie sieht gut aus, finden Sie nicht?« wandte er sich an Strass. Der nickte unbehaglich. Jorge bohrte den Lauf der Pistole zwischen Ginas Schulterblätter und stieß sie vor sich her. Sie weinte leise.
    »Warum sagen Sie es uns nicht?« fragte Strass eindringlich. Er fühlte sich miserabel. Trotz der Kälte schwitzte er unter dem gefütterten Parka. Er haßte Jorge fast so sehr wie Ernst. »Wir wollen doch nur wissen, wo sie ist! Ihrem Bruder und Ihnen wird nichts passieren!«
    Jorges helleres Auge funkelte belustigt. Er faßte mit der freien Hand in Ginas dunkle Locken und riß brutal ihren Kopf nach hinten. »Sie versteht Sie nicht, Strass! Sie ist doch Italienerin. Vielleicht versteht sie nur eine bestimmte Sprache. Ich denke da an eine gewissen Universalsprache. Was glauben Sie, Strass?«
    Strass antwortete nicht.
    »Ich wette, sie ist verheiratet«, fuhr Jorge gelassen fort. »Und katholisch. Eine gute, gläubige, treue Ehefrau.«
    »Jorge, das ist nicht...«
    »Ich überlege mir gerade, was wohl für eine gute, gläubige, treue italienische Ehefrau die schlimmste Schande ist.«
    Ginas Kopf fuhr herum. Ihr Gesicht zeigte namenloses Entsetzen. »Da haben Sie es, Strass. Ich glaube, mich versteht sie viel besser als Sie.«
    Fabio lief rastlos in dem engen Apartment auf und ab. Johanna saß auf einer der beiden gepackten Taschen in der Diele und beobachtete ihn. Er bewegte sich mit der latenten Aggressivität eines wilden Tieres. Seine Hände hingen locker an den Seiten herab, aber die Muskeln an seinem Rücken und seinen Schenkeln wölbten sich vor Anspannung.
    Als er das nächste Mal an ihr vorbeilief, berührte sie sein Bein und schaute bittend zu ihm hoch. »Fabio. Sprich mit mir.«
    Er wandte sich zu ihr um und starrte auf sie herab. In seinen Augen stand unermeßliches Leid. »Es ist fast acht.«
    »Fabio, das muß nicht heißen...«
    »Doch. Sie haben sie geschnappt. Komm jetzt. Wir verlieren nur Zeit, wenn wir länger warten. Zeit, die wir dringend für uns brauchen.«
    »Ruf noch mal im Forchetta an«, sagte sie verzweifelt. »Vielleicht ist sie...«
    »Ich habe erst vor fünf Minuten angerufen. Falls sie dort hinkommt, weiß Carlo, was zu tun ist. Aber sie wird nicht kommen. Ich weiß jetzt, wo sie hingegangen ist. Sie wollte Blumen auf das Grab deines Bruders legen, sie hat davon in der vergangenen Nacht geredet. Ich hatte es vergessen. Sie haben sie da auf dem Friedhof geschnappt. Wahrscheinlich hatten sie seit der Beerdigung jemanden dort auf der Lauer, weil sie glaubten, du würdest irgendwann auftauchen.«
    Johanna stand auf. Sie stützte sich an der Wand ab. Ihr dunkel gefärbtes, knabenhaft kurzes Haar war glatt aus der Stirn gekämmt und mit einem elastischen Samtband im Farbton ihrer Augen befestigt. Sie trug ein pfirsichfarbenes Wollkleid, das die elfenbeinerne Blässe ihrer Haut betonte. »Ich habe nicht das Recht dazu.«
    »Wozu hast du nicht das Recht?«
    »So weiterzumachen. Dich ständig der Gefahr auszusetzen. Wenn Gina...«
    »Du bist meine Frau«, unterbrach er sie brüsk, »ob wir jetzt vor einem Priester die Gelübde getauscht haben oder nicht. Du solltest das endlich akzeptieren.«
    Sie schwieg. Mit unsicheren

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