Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
Vom Netzwerk:
auch immer sie ist, ich hoffe, sie kommt bald zurück.«

    Gina stand am Grab von Johannas Bruder und arrangierte einen Blumenstrauß. Der flache Hügel war noch unbepflanzt. Tannenzweige bedeckten die nackte, gefrorene Erde. Gina schob die Zweige ein wenig zur Seite und bog die Stiele der mitgebrachten Rosen auseinander, um sie für einen Betrachter gefällig ins Bild zu setzen. Schnee rieselte über die weißen Rosen, setzte sich zwischen die Blütenblätter und verwandelte den Strauß in eine seltsam falsch wirkende Dekoration. Gina starrte versunken auf das einfache Holzkreuz. Zwanzig Jahre. So jung. Sie dachte an Johanna und fühlte ihren Schmerz. Auch sie hatte einen Bruder begraben, wenn auch vor vielen Jahren.
    Sie war vor einer Stunde aufgebrochen, als Fabio und Johanna noch in tiefem Schlaf nebeneinandergelegen hatten. Fabios Hand hatte auf Johannas Herz geruht. Gina hatte lange in der Tür gestanden und die beiden betrachtet, und in ihrem Inneren hatte sie gefühlt, wie richtig dieses Bild war, wie sehr ihr Bruder und diese Frau zusammengehörten. Obwohl es an der Zeit war, die Vorbereitungen für den Aufbruch zu treffen, hatte Gina es nicht übers Herz gebracht, ihn zu wecken.
    »Die Rosen werden nicht lange halten bei der Kälte.«
    Gina schrak zusammen und musterte den beleibten Mann, der unvermittelt hinter ihr aufgetaucht war. Ein undeutbarer Ausdruck stand auf seinem feisten Gesicht, ein merkwürdiges Gemisch aus Trauer und Neugierde. Die Hände hatte er tief in den Taschen seines Parka vergraben. Er trug eine Mütze, deren fellbesetzte Ohrenklappen heruntergeschlagen waren. Mit dem Kinn wies er auf den Strauß. »Die reinste Verschwendung. Ich nehme im Winter niemals Blumen mit auf den Friedhof. Eine Pflanzschale mit Immergrün, und man hat das ganze Jahr etwas davon. Ihr Sohn?«
    »Nein«, antwortete Gina zurückhaltend.
    »Habe auch einen Sohn verloren. Motorradunfall.«
    »Das tut mir leid.« Sie wandte sich zum Gehen. Der Mann folgte ihr. »Ich war gerade hier fertig. Ich kann Sie ein Stück begleiten.« Er schloß zu ihr auf und betrachtete sie von der Seite. »Sie sind nicht von hier, oder? Italien, Spanien?«
    »Italien.« Gina schritt schneller aus. Der Schnee fiel jetzt dichter und traf in großen feuchten Flocken auf ihre Wangen und ihre Lippen.
    »Habe ich mir gleich gedacht. Sie sehen nämlich so aus. Italienisch, meine ich.«
    Gina gab keine Antwort. Sie beschleunigte ihren Gang noch mehr. Der Mann hielt unbeirrbar Schritt. »Ich würde Sie gern näher kennenlernen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Lassen Sie mich in Ruhe, bitte!«
    »Warum denn?« Er ergriff ihren Arm. Sie schlug seine Hand beiseite und fiel in Laufschritt. Er holte sie in Sekundenschnelle ein und faßte nach ihrer Schulter. Als er sie zu sich herumriß, stolperte sie und fiel mit einem erstickten Schrei auf den schneebedeckten Weg.
    Keuchend blieb er vor ihr stehen. Er ragte hoch über ihr auf und verdunkelte den Himmel. Seine massigen Schultern und seine Mütze waren weiß von Schnee. »Ich bin für diese Dinge nicht in Form«, stieß er hervor. Sein Atem quoll stoßweise in weißen Wolken aus seinem Mund.
    Sie schob sich kriechend rückwärts, ihre Handtasche am Bügel mit sich ziehend. »Ich schreie!«
    »Das können Sie gern tun, aber es wird Ihnen nicht viel helfen. Bei dem Wetter kommt kein Mensch freiwillig auf den Friedhof. Tut mir leid, aber ich fürchte, ich muß Sie jetzt bitten, mitzukommen.«
    »Wohin?«
    »Zu meinem Wagen. Wir... ich habe einige Fragen an Sie.«
    »Fragen Sie doch.« Sie stemmte sich mühsam auf die Knie. Ihre teure Strumpfhose war zerrissen, ihr Nerz verschmutzt und naß vom Schnee.
    »Das hätte wenig Sinn.« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich könnte Sie zwar fragen, aber Sie würden mir nicht die Wahrheit sagen. Ich fürchte, die Befragung muß ich jemandem überlassen, der mehr von diesen Dingen versteht.«
    Sie kam schwankend auf die Beine. »Sie wissen, wer ich bin?«
    »Ja, natürlich. Sie sind die Schwester des tapferen Retters.«
    »Was wollen Sie von mir? Wer sind Sie?« fragte sie mit kaum unterdrückter Hysterie in der Stimme.
    Er seufzte. »Mein Name hilft Ihnen nicht weiter. Und Sie können sich sicher denken, was ich von Ihnen will.«
    Sie preßte ihre Handtasche vor die Brust. »Ich sage nichts.«
    »Schluß mit dem Unfug. Setzen Sie sich in Bewegung, aber ein bißchen schnell, wenn ich bitten darf.«
    »Ich gehe nicht mit Ihnen!«
    Ein weiterer Mann tauchte aus dem

Weitere Kostenlose Bücher