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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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von seinen Plänen, den Rest seines Lebens an allen schönen und sehenswerten Plätzen der Welt zu verbringen.
    »Ich werde meine Abneigung gegen Fremdsprachen überwinden. Vielleicht lerne ich sogar noch Französisch. Ja, ich nehme mir einen Privatlehrer, schließlich kann ich’s mir leisten. Ich habe da noch eine kleine Reserve, in Uruguay. Natürlich bei weitem nicht soviel, wie es hätte sein können, aber ich werde zurechtkommen. Ich werde in den besten Restaurants essen. Ich probiere alles aus. Französische Küche, japanische. Indisch. Chinesisch. Was es auch immer gibt, ich esse es. Meine Magenschmerzen werden in Null Komma nichts weg sein, wenn ich Ernst nicht mehr im Nacken habe. Früher mal, da war er ein As. Wenn nichts mehr ging, holten sie Ernst. Er fand für alles eine Lösung. Aber das war einmal. Heute ist er verrückt. Man hätte ihm diesen Job besser nicht gegeben. Sein Gehirn ist mit der Mauer zusammen zerbröckelt. Und dieser Jorge ist nicht besser. Der Kerl ist fast genauso verrückt. Sie sind alle verrückt.« Er schob sein Gesicht summend näher an die Scheibe, als könne er auf diese Weise besser durch den Vorhang aus Schnee sehen, der vor ihnen über den Weg wehte. Zehn Meter von der Straße entfernt hielt er schließlich an und drehte sich zu ihr um. Ihr Kopf hing seitlich herab und lag auf der Lehne der Rückbank.
    »So, da wären wir. Jetzt sind Sie aus dem Gröbsten heraus. Ein paar Wochen, und Sie fühlen sich wie neu, bestimmt. Sie könnten auch tot sein, oder nicht? Die beiden haben Sie nur deswegen nicht umgebracht, weil sie zuerst nachschauen mußten, ob Sie die Wahrheit gesagt haben. Sie haben ihnen doch verraten, wo die Kleine steckt, oder?«
    Sie gab keine Antwort, aber ihr gequälter Blick sagte ihm genug. Ihr Atem ging röchelnd wegen der Verletzungen an Mund und Nase.
    »Tja, das ist nicht immer sicher, auch bei diesem Medikament gibt es Fehlerquoten. Ich meine, manchmal schwindelt trotzdem einer, und man muß wieder von vorne anfangen. Deswegen haben die beiden Sie da so liegenlassen. Um wieder von vorne anfangen zu können. Ich habe Ihnen das Leben gerettet.« Er beugte sich näher und starrte sie eindringlich an. »Hören Sie. Das ist wichtig, für den Fall, daß Sie jemand fragt. Ich heiße Strass und habe Ihnen das Leben gerettet. Ich werde Sie jetzt hier rauslassen. Das Stück bis zur Straße müssen Sie kriechen. Passen Sie bloß auf, daß Sie nicht noch überfahren werden. Also dann. Wie sagt man in Italien? Das weiß ich sogar. Arrividerci .«

    Gina hob den Kopf und lauschte dem Motorengeräusch, hörte es leiser werden und schließlich in der Ferne verklingen. Er war weg. Er hatte sie aus dem Wagen gehievt, war pfeifend wieder eingestiegen und losgefahren. Sie schluckte den würgenden Ekel herunter, ebenso wie sie vorhin die wilde Gier unterdrückt hatte, dem Mann das Blut aus ihrem Mund mitten ins Gesicht zu spucken. Sie stützte sich auf Knie und Hände und schob sich in der Dunkelheit vorwärts, in die Richtung, in der er verschwunden war. Unter der Schneedecke ertastete sie Steine, brüchiges Laub und Rindenstücke.
    Eine Schneewächte löste sich von einer Fichte über ihr und fiel auf ihre nackten Waden und die verbundenen Füße. Der Schmerz trieb sie erneut an den Rand einer Ohnmacht, und sie verharrte einige Sekunden bewegungslos, bis sie wieder durchatmen konnte. Sie spürte, wie sich einer der unteren Schneidezähne, gelockert durch die Schläge, endgültig aus dem Kiefer zu lösen begann. Sie weinte, jedoch nicht wegen des Zahnes oder ihrer Füße. Auch nicht wegen der Vergewaltigungen, obwohl das von allem, was sie ihr angetan hatten, das Schlimmste gewesen war. Sie weinte, weil sie den Männern das Versteck verraten hatte. Sie hatte sich bis zum Schluß dagegen gewehrt, und sie hätte sich lieber totschlagen lassen, ehe sie es verraten hätte. Als sie ihr schließlich die Spritze gaben, war es bereits Nacht gewesen, und die Chancen standen gut, daß Fabio und Johanna längst weg waren. Gina fühlte tief in ihrem Inneren, daß ihr Bruder lebte. Doch er war in höchster Gefahr. Sie hatte den Männern nicht nur die Adresse der Wohnung genannt, sondern auch den Ort, wohin sie hatten fliehen wollen.
    Sie kroch Meter um Meter weiter über Schnee und gefrorene Erde, bis ihre zerschundenen Finger die Glätte des Straßenbelags fühlten. Sie betete, daß ein Wagen kommen möge. Daß sie nicht wieder das Bewußtsein verlor. Daß sie Ernesto anrufen, ihn bitten

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