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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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Stillstand gebracht worden. Zum erstenmal seit Wochen hatte sie das Empfinden, alles könne sich zum Guten wenden, und sie glaubte an die Macht der Zeit, die alle Wunden heilt.
    In diesem Augenblick ging über den Bergen die Sonne auf, färbte die schneebedeckten Hänge zuerst tiefrot, dann rosig, und schließlich strahlend weiß. Johanna und Fabio betrachteten lange wortlos das grandiose Naturschauspiel. Er hielt immer noch ihre Hände in den seinen, sie teilten die Wärme zwischen sich, und sie fühlten, daß sie lebten. Johanna sah auf seine großen Hände, die ihre kleineren festhielten. Seine Nägel waren gerade und kantig. Die olivbraune Haut seiner Handrücken erschien unter der dunklen Behaarung feinporig. Seine Handgelenke waren breit und knochig. Johanna wunderte sich flüchtig, warum ausgerechnet das ihn so verletzlich erscheinen ließ. Dann wurden ihr die Schwielen bewußt, die gegen ihre Fingerknöchel drückten, Symbole seiner Kraft und seiner zähen Entschlossenheit, ein Teil seines Wesens, der ihn gleichzeitig stark und schwach machte, schwach ihr gegenüber. Er setzte seine Kraft für sie ein und nicht gegen sie. Er stellte sich zwischen sie und den Wind. Ihre Blicke wanderten über seine Unterarme und seine Brust zu seinem Gesicht. Seine Augen wirkten im Licht der Morgensonne wie tiefe goldene Seen.
    In ihnen spiegelte sich dieselbe Sehnsucht, die sie auch spürte. Vielleicht ist Gott doch unser Freund, dachte Johanna. Wenn wir nur leben wollen.

    Sie überredete Fabio, mit ihr frühstücken zu gehen. In der Raststätte saßen sie einander gegenüber, an einem der Fenstertische. Das weißblaue Bergpanorama im Hintergrund mutete seltsam unrealistisch an, wie ein kitschiges Postkartenidyll. Sie waren die einzigen Gäste im Restaurant. Ein junger Kellner brachte ihnen Kaffee, frisches Weißbrot, Butter und Konfitüre.
    Die gequälte Anspannung war aus Fabios Gesichtszügen verschwunden. Er wirkte siegessicher. Johanna sprach ihn erneut wegen der Akte an. »Laß sie mich wenigstens mit der Post schicken.«
    »Wohin?«
    »An die Staatsanwaltschaft. Das Bundeskriminalamt.« Sie überlegte kurz. »Und eine Kopie an die Presse, an ein Nachrichtenmagazin, den Spiegel vielleicht.«
    »Du kannst mit der Akte tun, was du willst, aber erst, wenn ich mein Ding durchgezogen habe. Wenn du die Sache jetzt hochgehen läßt, erreichst du damit doch nur, daß die Kerle wie der Wind in alle vier Himmelsrichtungen davonsausen.«
    »Hättest du vielleicht die Güte, mir zu verraten, was du vorhast? Ständig ergehst du dich in irgendwelchen Andeutungen. Wie willst du denn verhindern, daß Sie verschwinden? Wir wissen doch nicht mal jetzt, wo sie stecken.«
    »Aber bald.«
    »Verdammt, Fabio!«
    Er riß ein Stück Weißbrot ab, kleckste mit dem Kaffeelöffel Marmelade darauf und schob es in den Mund. »Es ist doch nicht allzu schwierig«, sagte er kauend. »Solange sie glauben, daß diese Stiftungssache irgendwie noch laufen kann, bleiben sie an uns dran. Du bist im Moment die einzige Person, die ihnen alles vermasseln kann, also mußt du weg. Sie wissen von Gina, wohin wir fahren. Sie wissen auch, daß wir nicht fliegen können, wegen der Sicherheits- und Paßkontrollen, denn du wirst ja von der Polizei gesucht. Also kommen sie vor uns dort an, fangen dich ab und erledigen dich.«
    Johanna verschluckte sich an ihrem Kaffee.
    Er gestikulierte mit dem Brot. »Diese Gelegenheit kommt nie wieder. Es wäre absolut verrückt, wenn wir das nicht ausnutzen!« Er trank einen Schluck Kaffee. »Ist übrigens ganz gut hier, der Kaffee, findest du nicht?«
    Sie starrte ihn mit verengten Augen an. »Du willst mich als Lockvogel benutzen!«
    »Sieh mich nicht so an!« Entrüstet stellte er die Tasse ab. »Du wärst nicht in Gefahr. Keine Sekunde lang! Wofür hältst du mich?«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie langsam. »Du hast sonst immer einen ziemlich intelligenten Eindruck auf mich gemacht.«
    Er hob ironisch die Brauen. »Danke. Nebenbei: mittlerweile sind sie wahrscheinlich genauso hinter mir her.«
    Johannas Hände begannen zu zittern. Etwas von dem Kaffee schwappte über und lief auf das Tischtuch. »Du hast recht. Es tut mir leid.« Sie schwieg sekundenlang und zeichnete mit dem Zeigefinger die Kaffeeflecken nach. Plötzlich zuckte sie zurück, als hätte sie sich verbrannt. »Und Gina?«
    Er wußte, was sie meinte. »Dasselbe gilt natürlich auch für sie. Mach dir keine Gedanken. Ernesto hat es bereits in die Hand genommen.

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