Bankgeheimnisse
wirrer Unordnung und zum Teil zerrissen in einer Ecke lagen. Sie war immer noch ohne Bewußtsein, stöhnte aber vor Schmerzen, als er sie ungeschickt anzog. Er ließ die Unterwäsche und die Strumpfhose liegen, streifte ihr nur das Kleid und den Nerz über. Die Stiefeletten schienen ihr plötzlich zwei Nummern zu klein geworden zu sein, es gelang ihm nicht, sie ihr anzuziehen. Sie wehrte sich gegen seine Bemühungen, schrie auf und trat schwächlich nach ihm. Fluchend ließ er sich zurückfallen und starrte erbittert ihre Füße an. Dann sah er, was sie ihr angetan hatten.
»Mein Gott«, stieß er hervor. Als er vorhin die Wohnung betreten hatte, war ihm auf den ersten Blick klargewesen, daß sie geschlagen und vergewaltigt worden war. Das war schlimm genug, aber sie würde keine bleibenden körperlichen Schäden davontragen. Jorge hatte es versprochen. Aber er hatte gelogen. Strass blickte sich um. Jetzt sah er auch den überquellenden Aschenbecher auf dem Boden neben dem zerschlissenen Sofa, und er bemerkte den schwachen Geruch nach verbranntem Fleisch, der in der Luft hing.
»Scheißkerle«, sagte er weinerlich. Und dann lauter: »Diese Scheißkerle!« Er bedauerte weniger die Frau als sich selbst. Jetzt würde er sie tragen müssen. Einen Augenblick lang erwog er, sie einfach ihrem Schicksal zu überlassen und zu verschwinden, wie er es ursprünglich vorgehabt hatte.
Zaudernd hockte er sich auf die Fersen und blickte erneut auf ihre Fußsohlen. Er schluckte. Jorge und Chen hatten ihrer Grausamkeit freien Lauf gelassen. Sie hatten sie geschlagen, vergewaltigt und gefoltert, obwohl sie ihr am Ende doch die Spritze gegeben hatten. Anstatt ihr gleich die Injektion zu verabreichen, hatten sie sich einen Spaß daraus gemacht, sie vorher stundenlang zu peinigen.
In diesem Moment schlug sie die Augen auf und sah ihn an. Es war der Ausdruck in diesen großen umschatteten Augen, der ihm die Entscheidung abnahm. Als Junge hatte er einmal im Wald einen jungen Hasen in einer Falle gefunden, der ihn so angesehen hatte. Er hatte das zuckende Fellbündel befreit, und es hatte ihn eine Ewigkeit mit diesen Blicken angeschaut, bevor es in seinen Händen gestorben war. Das Bild hatte ihn jahrelang verfolgt.
»Also gut. Ich bringe Sie von hier weg. Aber das muß jetzt schnell über die Bühne gehen.« Er stellte sich vor sie hin und legte seine Arme unter ihre Kniekehlen und ihre Achseln. »Sie müssen sich an meinem Hals festhalten«, forderte er sie auf. »Ich will’s versuchen, das verspreche ich, aber wenn Sie sich nicht festhalten, lasse ich Sie vielleicht fallen.«
Die unausgesprochene Drohung, sie in diesem Fall nicht wieder aufzuheben, drang durch den Nebel von Schmerzen und löste für Augenblicke die durch das Medikament bedingte Betäubung. Sie umklammerte mit aller ihr zu Gebote stehenden Kraft seinen feisten Nacken.
»Brav.« Keuchend wuchtete er sie hoch und schleppte sie zur Tür. Mit dem rechten Ellbogen drückte er die IGinke nieder und trat die Tür auf. Irgendwie schaffte er die dreißig Meter zu seinem Wagen, wo er sie ohne Federlesens absetzte. Sie brach sofort neben der Fahrertür zusammen, doch er kümmerte sich nicht darum. Hechelnd stützte er sich mit beiden Händen an der Kühlerhaube ab und rang eine geschlagene Minute nach Luft, bevor er wieder an etwas anderes denken konnte als daran, seine Lungen vollzupumpen. Er schaute auf sie herunter. Sie lag mit dem Kopf neben dem linken Vorderreifen. Blut sickerte aus ihrer Nase und färbte den Schnee im diffusen Licht der Straßenlaterne schwarz. Er öffnete die Tür zum Fond und hievte sie unter Aufbietung all seiner Kräfte auf den Rücksitz.
»K-kann ich helfen?«
Strass’ Aufschrei fiel mit dem Knall der zuklappenden Autotür zusammen. Er fuhr herum. Ein Mann stand vor ihm, der von einer Seite auf die andere schwankte und dabei blinzelnd versuchte, ins Wageninnere zu spähen. »Issie k-krank?« lallte er.
Strass folgte den Blicken des Betrunkenen. Man sah nur ihren Hinterkopf und den Nerz um ihre Schultern. Ihr Gesicht lag auf ihren Knien.
»Ihr ist schlecht geworden. Der Magen«, erläuterte Strass. Schweiß perlte über seine Stirn und seine Wangen. »Ich bringe sie zum Arzt.« Er öffnete die Fahrertür und ließ sich auf den Sitz fallen. Der Mann nickte mitleidig und setzte sich zögernd wieder in Marsch. Strass zog die Tür zu und stieß den Schlüssel ins Zündschloß. »Ich weiß selbst nicht, warum ich das mache. Ich haue doch sowieso ab.
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