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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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die pflegenden Hände zahlreicher Gärtner verriet. Haushohe Zypressen warfen Schatten auf den englischen Rasen und auf kiesbestreute, von sorgfältig gestutzten Sträuchern gesäumte Wege. Vor einem von Rosenranken überwucherten Pavillon war das Oval eines steinernen Brunnens zu erkennen, in dessen Mitte sich eine barocke Skulpturengruppe erhob. Groteske marmorne Fabelwesen, halb Mensch, halb Tier, verschmolzen zu einer Einheit aus ineinanderverschlungenen Körpern und Gliedmaßen. Das Anwesen war vollständig von einer zweieinhalb Meter hohen Sandsteinmauer umgeben. Nur zur Straße hin befand sich eine etwa fünf Meter breite Einfahrt, die durch ein offenbar elektronisch gesichertes Gittertor versperrt war. Ernst hatte an diesem Tag bereits zweimal das Gitter zur Seite gleiten und beide Male einen Wagen einfahren sehen, in dem jeweils zwei Männer gesessen hatten. Der erwartete Besuch war bisher nicht eingetroffen, doch Ernst rechnete bald damit.
    Jorge und Chen wechselten sich in unmittelbarer Nähe der Villa mit ihren Patrouillengängen ab. Ernst sah sie von Zeit zu Zeit durch den Feldstecher an der Straßenecke auftauchen und wieder verschwinden. Er selbst hatte das Gebäude seit seiner Ankunft in den frühen Morgenstunden nie länger als eine Minute aus den Augen gelassen.
    Sie würden noch an diesem Tag kommen, das stand für Ernst außer Frage. Sie mochten zwar die Gefahr kennen und wissen, daß sie verfolgt wurden, aber kommen würden sie dennoch. Sie würden sich hinter den Schutz dieser hohen Mauern begeben. Er wußte mit unumstößlicher Gewißheit, daß er recht hatte. Er kannte ihre Gedanken wie seine eigenen. Das, was er damals zu Strass auf dem Teufelsbrück gesagt hatte, war nicht nur so dahergeredet gewesen. Er fühlte sich in die Menschen ein. Er koppelte seine Gedanken an den ihren fest, ließ aus den Tiefen seines Empfindens ein Muster aufsteigen, verwob es mit dem der erfühlten Gedanken, bis es sich zu vollständiger Kongruenz verdichtet hatte. Zum Schluß dachte er wie sie. Er spürte ihre Angst, ihre Sehnsucht. Wie bei Johanna Herbst. Er hatte ihr Leid gefühlt und ihren Haß, aber auch die leise Bereitschaft, sich aufzugeben und dem lockenden Sirenengesang auf dem Pfad in die letzte Dunkelheit zu folgen. Und er kannte ihre Pläne. Er hatte genau gewußt, daß sie zur Bank gehen würde, verkleidet, aber ungeschützt, um Wiking zu sehen, den Mann, der am Tod ihres Freundes, ihres Mannes und ihres Bruders Mitschuld trug und offen seinen Geschäften nachging.
    Auch den Friedhof hatte er von Strass im Auge behalten lassen, und die Ereignisse hatten ihm recht gegeben. Ernst grinste dünn, als er an Strass dachte. Strass hätte weniger seinen Bauch als seinen Grips benutzen sollen. Er lebte zwar, aber nur noch so lange, wie es Ernst gefiel. Strass’ Flucht war für ihn nicht überraschend gekommen. Auch das gehörte zu den Dingen, von denen er schon vorher gewußt hatte, ebenso wie von dem Notar in Paris, den Strass einmal zu oft aufgesucht hatte.
    Ernst tippte eine Nummer in das Handy und wartete, bis das Freizeichen ertönte. Er ließ es dreimal klingeln und hatte den Finger bereits auf der Aus-Taste, als der andere Teilnehmer sich meldete. »Wiking.« Es klang verstört.
    »Sie wissen, daß ich Sie um diese Zeit anrufen wollte. Ich schätze es nicht, wenn ich mehrmals versuchen muß, Leute zu erreichen, die meinen Anruf erwarten.«
    »Ich habe... ich war... mir war übel«, ächzte Wiking. »Sie ahnen ja nicht, wie schlecht ich mich fühle. Ich habe entsetzliche Nachrichten!«
    »Lassen Sie mich raten.« Ernst machte eine kunstvolle Pause. »Sie hat es letzte Nacht versucht.«
    »Wie können Sie das wissen?« fragte Wiking fassungslos.
    »Ich weiß es eben. Nennen Sie es Intuition oder Empathie, das sind Dinge, auf die ich mich verstehe.«
    »Nun, es ist nicht ganz richtig, ich meine, es war nicht letzte Nacht, sondern sie hat es in der Nacht von Freitag auf Samstag versucht.«
    »Also habe ich mich um einen Tag geirrt.« Es klang kaum weniger salbungsvoll als vorher. Ernst genoß seinen Triumph, auch in dieser Sache die richtige Voraussicht gehabt zu haben. »Wie haben Sie es erfahren, und wann?«
    »Ihre Sekretärin, Hilda. Ich hatte ihr eingeschärft, mich sofort zu benachrichtigen, wenn sie irgend etwas im Zusammenhang mit ihrer Chefin erfährt, genauso wie Sie es mir nahegelegt hatten.« Ernst zog amüsiert einen Mundwinkel hoch. Er hatte es Wiking nicht nahegelegt, sondern es ihm

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