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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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die Tür zum Fond auf und schob sie hinein. Johanna umkrampfte ihre schwere Handtasche wie einen Rettungsanker. Sie hatte immer noch die Pistole und die Akte darin verstaut, außerdem eine volle Flasche des Antibiotikums. Fabio stieg ebenfalls ein und rutschte dicht neben sie.
    Zwei Männer saßen in dem Wagen. Der Fahrer war ein pockennarbiger, schwarzhaariger Junge, kaum älter als zwanzig. Der Mann neben ihm war wie Fabio um die Dreißig, aber schmal bis zur Magerkeit. Er drehte sich zu ihr um und lächelte, ein offenes, breites Lächeln, mit dem man einen lange erwarteten Gast begrüßt. Langsam und betont sagte er etwas auf italienisch zu ihr, von dem sie nur Signora und Napoli verstand. Sie nickte höflich. Aus den Augenwinkeln sah sie Fabios schwaches Grinsen. Der Junge schaute konzentriert in den Rückspiegel. Während er losfuhr, spie er einen stakkatoartigen Redeschwall über die Schulter. Fabios Gesichtsausdruck wurde zu einer undurchdringlichen Maske. Er nickte und erwiderte etwas, ebenso schnell wie der Junge.
    Sie fuhren um einige Blocks, verließen jedoch das Viertel nicht. Zwei, drei Minuten später richtete der Magere einen Signalgeber auf ein Eisengitter, das daraufhin geräuschlos auseinanderglitt und zu beiden Seiten hinter einer zweieinhalb Meter hohen Mauer verschwand. Kies knirschte unter den Reifen, als der Wagen die Auffahrt entlangrollte. Johanna musterte stumm die gepflegten Rabatten und Sträucher, den rosenumrankten Pavillon und die Mythenwesen des Marmorbrunnens, eine prachtvolle Kulisse für den jahrhundertealten Palazzo, bei dem die Auffahrt endete.
    Vor ihnen öffnete sich das breite Tor zu einer Fahrzeughalle, die in einem hinter Rosenhecken versteckten, offensichtlich neueren Anbau untergebracht war. Der Junge parkte die Limousine neben einer Flotte von Luxuskarossen. Er stieg aus, öffnete Johanna den Schlag und wartete guterzogen, bis alle den Wagen verlassen hatten. Der Magere nickte Fabio zu und ging voraus. Von dem Anbau führte ein schmaler Gang ins Innere des Palazzos. Fabio blieb neben ihr. Er hielt ihren Ellbogen leicht umfaßt, aber sie spürte seine Nervosität. Der Magere stieß eine Tür in einen fensterlosen Raum auf. Wandlüster ließen die ringsum angebrachten venezianischen Spiegel in einem unwirklich goldenen Licht schimmern, das von der zimtfarben ausgemalten Stuckdecke noch intensiviert wurde. Außer den zahllosen Spiegeln in allen Größen, vom drei Meter hohen und ebenso breiten Prunkstück, das eine ganze Wand bedeckte, bis hin zu nur handtellergroßen, kostbar gerahmten Miniaturspiegeln, gab es vergoldete Wandhaken, Schirmständer und eine Flutablage.
    Die Männer waren vorausgegangen und warteten in der Eingangshalle des Palazzos. Johanna sah sie unterhalb einer hell erleuchteten Balustrade stehen, die beiderseits von einer geschwungenen Treppe flankiert wurde. Ein enormer Kronleuchter beherrschte die mindestens zehn Meter hohe Halle. Tausende von funkelnden Kristalltropfen streuten ihr Licht über den schwarzen, rosageäderten Marmor des Fußbodens und das dunkel polierte Holz der barocken Geländerschnitzereien.
    Johannas Blick streifte flüchtig die Gobelins an den holzgetäfelten Wänden. Von Wandteppichen verstand sie nicht viel, wußte aber ohne jeden Zweifel, daß sie so alt waren wie der Palazzo selbst oder sogar noch älter. Als nächstes fesselten die Gemälde ihre Aufmerksamkeit. Es gab viele davon, eine ganze Galerie, die vom Fuß der Treppen bis nach oben die Balustrade entlang führte. Überwiegend waren es alte Meister. Johanna erkannte in dem ersten Bild neben der rechten Treppe einen Brueghel. Sie kam nicht mehr dazu, weitere Beobachtungen über die Kunstgegenstände anzustellen, denn eine herrische Stimme zerschnitt die Stille. Ein Mann war aus einer der Türen getreten, die von der Halle abgingen. Johanna erkannte flüchtig im Hintergrund die Bibliothek, dann richteten sich ihre Augen auf den Mann. Er war kräftig, um die Fünfzig und trug eine schlichte graue Strickjacke über einem weißen Hemd.
    »Das ist Ernesto«, flüsterte Fabio, seinen Kopf zu ihr herabgeneigt. Er drückte kurz, und, wie es ihr schien, warnend, ihren Ellbogen, dann ließ er sie los und ging quer durch die Halle. Vor Ernesto blieb er stehen, und Johanna sah, daß Fabio nur geringfügig größer war als sein Schwager. Sie schauten sich in die Augen, sekundenlang, dann fiel Fabio plötzlich auf ein Knie nieder und drückte seine Lippen auf den Handrücken des Mannes.

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