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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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Fruchtwasser schlucken und wieder ausspucken, ganz instinktiv und mit demselben präzisen biologischen Eifer wie das Flußpferd. Sein Herz würde schlagen und schlagen und nicht aufhören.
    Erst in diesem Augenblick begriff sie richtig, was Leo ihr angetan hatte. Der Klumpen in ihrem Hals wurde unerträglich, ebenso wie das Bedürfnis zu weinen. Aber sie bezwang es. Neben ihrem nachtblauen BMW-Cabrio, das sie auf einem der Patientenparkplätze vor der Praxis abgestellt hatte, hing an einem Laternenpfahl ein Papierkorb. Sie knüllte das Ultraschallfoto zusammen und warf es hinein. Sie fuhr nach Hause und stieg die sechs Treppen zum Penthouse hoch. Nachdem sie sich umgezogen hatte, setzte sie sich auf die Dachterrasse und starrte mit brennenden Augen auf die dunstverschleierten Wolkenkratzer.

4. Kapitel

    Johanna erwachte um zehn Uhr abends mit Kopfschmerzen. Sie stand auf und trank in der Küche ein Glas Milch. Ihr wurde augenblicklich schlecht, und sie stemmte sich mit herabhängendem Kopf gegen den Kühlschrank, tief atmend, bis der Anfall vorüber war.
    Nachdem sie ein ausgedehntes heißes Bad genommen hatte, fühlte sie sich fast wieder normal. Sie fönte ihr Haar, besserte ihre leichte Naturwelle mit der Lockenschere auf, schminkte und parfümierte sich. Sie zog eines ihrer Designerkleider an, ein kunstvoll im grunge -Stil zerlumptes, weit ausgeschnittenes Stück Stoff, das den Blauton ihrer Augen intensiv widerspiegelte. Nach einigem Zögern legte sie dazu das Saphircollier an. Sie sah aus wie ein feenhaft zartes Aschenputtel, das sich an der Schmuckschatulle der Königin vergriffen hatte.
    Sie versuchte erneut, etwas zu sich zu nehmen, eine Scheibe trockenes Brot, von dem sie kleine Bissen nahm und sie vorsichtig kaute. Sie spülte mit Mineralwasser nach und war erleichtert, daß alles unten blieb.
    Die Tauben stelzten auf den rauhen Tonfliesen der Dachterrasse herum, sie gurrten und pickten, als Johanna ihnen Brotkrümel und Wurstreste bescherte. Hinter dem Messeturm und dem Marriot-Hotel spannte sich ein leuchtender Saum über den Himmel. Vereinzelte Wolken wurden vom verblassenden Licht der untergegangenen Sonne getroffen und glühten in allen Rottönen des Spektrums, von strahlend hellem Rosa bis hin zu tiefdunklem Purpur. Die Luft war mild; der Altweibersommer trieb einen weichen Wind über die Dächer.
    Johanna ging ins Wohnzimmer und schob eine CD von Helen Watson in das Abspielgerät. Sie legte sich vor den Kamin, ein Glas Tonic Water in der Hand, und betrachtete den Modigliani. Wo immer er vorher gewesen war, Leo hatte es tatsächlich geschafft, ihn zurückzukaufen. Vermutlich hatte er ordentlich drauflegen müssen.
    Die Gläser und Bücher waren aus den Zimmerecken verschwunden. Es waren jetzt wieder mehr Möbel da, ähnlich erlesene Stücke wie die, die sie vorher besessen hatten. Ein barocker Bücherschrank. Eine alte spanische Truhe. Ein mit kunstvollen Schnitzereien überladenes Büfett. Vor dem Kamin lag ein Aubussonteppich.
    Er hatte natürlich den Reserveschlüssel mitgenommen. Sie hatte ihre Absicht, wieder ein neues Schloß einbauen zu lassen, bisher nicht verwirklicht. Sie haßte sich für ihre Unentschlossenheit und ihren Wankelmut und versuchte sich damit herauszureden, daß sie sich in einem geistigen und körperlichen Ausnahmezustand befand. Leo war noch dreimal dagewesen und hatte ihr CDs und etwas zum Anziehen mitgebracht, war ihr aber höflich und zurückhaltend begegnet. Sie hatten im Abendwind auf der Dachterrasse gesessen und sich unterhalten, zunächst vorsichtig, dann sachlich, schließlich beinahe kameradschaftlich. Über den Krösus, den sie demnächst in Paris treffen würden. Über den Andrang der Leute, die bei Fabio essen wollten. Über ihren Bruder und seine Chancen, es zu schaffen. Über eine neue Show im Tigerpalast. Und immer wieder über die Bank und ihrer beider berufliche Perspektiven.
    Seitdem sie von ihm in der vorletzten Woche den Schmuck bekommen hatte, war ihre Beziehung unmerklich in einen Zustand eigentümlicher, schwebender Leichtigkeit geraten, ohne den sonst üblichen bissigen Spott und die versteckte Bitterkeit. Und ohne die latente Gewalt. Es war fast wieder so gewesen wie früher, am Anfang ihrer Ehe. Beim letztenmal hatte er sie zum Abschied sanft auf die Wange geküßt, und sie hatte stillgehalten. Sie sagte sich, daß sie ihn erst recht zum Teufel jagen müßte, weil er alles Erdenkliche tat, um aus der erloschenen Glut wieder Funken zu schlagen. Sie

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