Bankgeheimnisse
um hundertprozentig zu wissen, daß alles klargeht. Wen interessieren da die genaueren Hintergründe? Hauptsache, das Geld kommt rüber.« Er sah sie fragend an. »Es ist doch die Hauptsache, oder?«
Sie runzelte die Stirn, dann hob sie die Schultern. »Du hast recht. Das Geld ist die Hauptsache.«
Er ergriff ihre Hand, mit der sie die Lichtschranke unterbrach und hielt sie fest. »Hast du schon Pläne für heute abend?«
»Laß das.« Sie blickte auf seine Hand. Er trug immer noch den Ehering. »Leo«, sie räusperte sich, »wenn das alles gelaufen ist — in Paris, meine ich — , dann würde ich gerne mit dir reden.«
»Jederzeit. Worüber?«
»Über uns, unsere Ehe. Wie es weitergehen soll.«
»Du hast den Scheidungsantrag nicht zurückgenommen.«
»Nein. Ich habe bisher keine Veranlassung dafür gesehen. Ich weiß wirklich nicht, was ich im Moment will, verstehst du. Das einzige, was ich genau weiß, ist das, was ich nicht will, auf gar keinen Fall.«
»Und das wäre?«
»Von dir verletzt zu werden. Es war sehr schlimm mit dir in der Zeit, bevor du ausgezogen bist. Und danach auch. Du weißt, was ich meine.«
»Ja«, sagte er einfach. Er schaute ihr in die Augen und hielt ihren Blicken stand. Er hob die Hand und legte sie ihr leicht auf die Wange. »Ich weiß nicht, warum ich es getan habe. Ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen.«
»Das wirst du niemals können.«
»Vielleicht kann ich es dich vergessen lassen.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht.« Sie entzog sich seiner Hand. Die Lifttüren glitten mit kaum hörbarem Zischen zusammen. Ohne sich umzusehen ging Johanna den Gang entlang, klopfte an einer der Türen und öffnete sie. Hilda schob mit schuldbewußter Miene die Tüte mit den Gummibärchen hinter den Bildschirm auf ihrem Schreibtisch.
»Hilda, es ist soweit. Die Sache, von der ich Ihnen neulich erzählt habe.«
»Paris? Dieser schwerreiche Krösus, den niemand kennt?«
»Ja. Übermorgen fliegen wir hin, der Chef, Helmberg, mein Mann und ich.«
»Muß ich mitkommen?«
»Nein, es soll in ziemlich privatem Rahmen ablaufen. Essen, Wandern und so weiter. Ich denke nicht, daß eine Sekretärin zwischen Suppe und Fisch mitstenografieren soll. Ich nehme mir für alle Fälle mein Notebook mit. Sie wissen ja, daß ich fast so schnell bin wie Sie.« Das war nicht scherzhaft gemeint. Sie hatte ihr Studium zu einem erheblichen Teil durch Tipparbeiten finanziert. Sie übersah Hildas säuerlichen Gesichtsausdruck. »War irgend etwas, während ich oben war?«
»Nein. Doch. Jemand hat für Sie angerufen. Ein Mann.« Hildas Tonfall klang seltsam lauernd, ihr Blick war abschätzend.
»Ein Mann?«
»Ja. Aber er wollte seinen Namen nicht sagen. Wollte nur mit Ihnen persönlich sprechen. Hat sich ziemlich aufgeregt angehört. Er ruft wieder an.«
Johanna starrte sie mit zusammengezogenen Brauen an.
»Soll ich die Termine verschieben?«
»Welche Termine?« fragte Johanna geistesabwesend zurück.
»Na, die Termine für diese Woche. Sie haben drei. Einen in Kronberg, einen hier in Frankfurt und einen in Wiesbaden. Haben Sie’s vergessen?«
»Ich kann wohl schlecht hingehen, wenn ich in Paris bin, oder?« Sie zog die Tür geräuschvoll hinter sich zu. Als sie ihr eigenes Büro betrat, schwankte sie zwischen Ärger und Bedauern. Hilda war boshaft, ein Musterbeispiel für das, was der Psychologe als Stutenbissigkeit bezeichnete. Und es gab niemanden, der daran schuld hatte. Johannas Vorgänger hatte Hildas Einfühlsamkeit, Höflichkeit und ihr einsatzfreudiges und aufopferungsvolles Wesen gepriesen. Er hatte ihr Loblied in den höchsten Tönen gesungen. Johanna zweifelte keinen Augenblick daran, daß er die volle Wahrheit gesagt hatte. Hilda war sich ihres geänderten Verhaltens vermutlich nicht bewußt, und falls doch, schob sie das schlechte Arbeitsklima mit Sicherheit auf ihre Chefin. Es war eine Frage der geschlechtsspezifischen Rollenverteilung. Für eine Frau war Johanna in Hildas Augen eine Etage zu weit oben. Beim Stenogramm saß sie auf der falschen Seite des Schreibtischs.
Und sie selbst benahm sich nicht viel besser. Sie zickte und biß zurück, wenn sich eine Gelegenheit ergab, anstatt die Nerven zu behalten. Mindestens zweimal die Woche nahm sie sich vor, daran zu arbeiten.
Ein Mann. Hat sich ziemlich aufgeregt angehört.
Sie setzte sich und schlug die Beine übereinander. Zurückgelehnt ließ sie die Reihe ihrer reichen und schwerreichen Stiftungsklienten vor ihrem
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