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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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geistigen Auge Revue passieren. Es waren einige darunter, die exaltiert genug waren, um sich derartig aufzuführen. Zwei oder drei zeigten sogar hin und wieder Anzeichen von echter Paranoia. Sie lebten in ständiger Angst, entführt zu werden, oder sie wollten um jeden Preis ihr Inkognito wahren. Die Schattenseiten von Ruhm und Reichtum.
    Johanna zog die Schublade an ihrem Schreibtisch auf und nahm das Fax von Jäger heraus. Sie blickte lange auf Klingenbergs Abschiedsbrief. In ihrer Erinnerung wurde der Anblick seines friedlichen, entspannten Gesichts von der verzerrten Fratze überblendet, zu der es im Tod geworden war. Sie faltete den Bogen zusammen und schob ihn in ihre Handtasche. Sie befürchtete nicht, daß jemand in ihrem Schreibtisch herumwühlen könnte. Manchmal vergaß sie zwar, ihn den Vorschriften entsprechend abzuschließen, aber solange sie hier arbeitete, würde niemand je ihren Schreibtischinhalt anrühren.
    Der Abschiedsbrief war ein Teil von Klingenberg, es war eine verzweifelte Botschaft an der Grenze zu einer anderen, dunklen Welt. Sie hatte das Bedürfnis, es bei sich zu haben, es mitzunehmen, nach Hause.
    Das Telefon klingelte. Sie hob ab. »Derselbe Anrufer wie vorhin«, sagte Hilda. »Will Sie sprechen, aber seinen Namen nicht sagen.«
    »Stellen Sie bitte durch.«
    Es knackte in der Leitung. Dann eine Männerstimme. »Johanna?« Sie versteifte sich. »Was ist los?«
    »Ich muß dich sehen.«
    »Was ist denn? Hast du Probleme? Willst du...«
    »Ich will dich treffen. Heute noch. Es ist wichtig. Nicht nur für mich, auch für dich.«
    »In Ordnung, natürlich treffen wir uns. Komm vorbei, am besten heute abend, ich bin allein.«
    »Nein, nicht bei dir. Auf gar keinen Fall. Dieselbe Stelle, dieselbe Zeit wie beim letzten Mal. Heute. Paß auf, daß dir keiner folgt.« Es klickte, er hatte aufgelegt. Sie starrte den Hörer an. In diesem Augenblick hätte sie ihr letztes Monatsgehalt verwettet, daß Hilda mitgehört hatte.
    Sie legte zögernd auf. Er hatte wirklich geklungen, als hätte er Probleme. Wenn er sich nicht mehr sehen lassen durfte, waren es vermutlich sogar katastrophale Probleme. Er steckte wieder bis zum Hals im Dreck. Er würde Geld wollen, so wie früher.
    Sie hörte die Stimme des Anstaltspsychologen. Er will Sie nicht mehr sehen. Versuch einer Konfliktaufarbeitung, Loslösung aus dem festgefügten Rollenschema, aus den eingefahrenen Zwängen der Bemutterung. Johanna, die barmherzige Schwester, unfehlbar, immer für den mißratenen Bruder da, mit Unterschlupf und auch sonst allem. Vor allem mit Geld. Immer wieder Geld. Geld, das ihn nur noch tiefer in die Patsche brachte, anstatt ihm herauszuhelfen. Radikaler Schnitt, nie mehr Johanna und Micky als Schwester und Bruder. Loslassen, über alles nachdenken. Besser für ihn und für Sie, jedenfalls im Moment.
    Johanna verdrängte die Gedanken und versuchte zu arbeiten. Sie schaltete ihr Bandgerät ein und diktierte ein Schreiben an die Stiftungsaufsichtsbehörde, die Ausschreibungsmängel beim Verkauf einer baureifen Zehn-Millionen-Immobilie beanstandet hatte. Johanna hatte das Höchstgebot nicht berücksichtigt und nach Meinung der Behörde dadurch dem Optimierungsgrundsatz bei der Stiftungsverwaltung zuwidergehandelt. Ein Ärgernis, aber sie mußte sich rechtfertigen. Sie diktierte. Keine Zuwiderhandlung, weil der Meistbietende eine dubiose Bauträgergesellschaft war. Zwar kein Eintrag bei der Schufa, aber keine Bietungssicherheit trotz zweimaliger Aufforderung. Sie hatte konservativ, aber risikofrei entschieden. Eins Komma fünf Millionen weniger, doch dafür sicher. Damit würde sich die Behörde fürs erste zufriedengeben müssen. Sie wußte, daß sie wegen ihrer Entscheidung jedes Verfahren aussitzen konnte, und die Beamten wußten es auch, aber von Zeit zu Zeit mußten sie ihre Daseinsberechtigung unter Beweis stellen.
    Sie hörte das Band ab und gestand sich ein, daß das Schreiben hölzern und unbeholfen wirken würde. Außerdem hatte sie denselben Satz zweimal diktiert, wörtlich. Hilda hätte es genauso abgeschrieben, nur um ihr eins auszuwischen. Sie löschte den Satz. Versehentlich spulte sie dabei zu weit vor, so daß noch mehr von dem Diktat gelöscht wurde. Sie verkrampfte sich. Für einen Augenblick schloß sie die Augen, konzentrierte sich. Nach einigen Sekunden erkannte sie, daß es keinen Zweck hatte. Sie schob das Bandgerät zur Seite und schaltete ihr Notebook ein. Sie klickte die Adressendatei an, danach den

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