Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
Vom Netzwerk:
Stiftungskunden wollten einfach Gutes tun, sie wollten teilen, uneingeschränkt, mit reinem Herzen. Nicht immer erwies sich jedoch die Bereitschaft, ein Vermögen zu verschenken, als selbstlose Großzügigkeit. Häufig kam es auch vor, daß Kunden sich auf diesem Wege ein gutes Gewissen erkaufen wollten, einen modernen Ablaß für die dunklen Flecken auf ihrer makellosen Weste, für massive Steuerhinterziehungen und Schwarzgeldkonten im Ausland. Oder für Schlimmeres. Johanna hatte in zwei Jahren viel darüber gelernt. Weder der Reichtum noch die Macht anderer lösten Ehrfurcht in ihr aus. Amery mochte so reich sein wie alle ihre anderen Kunden zusammen, aber das machte ihn nicht zu einem Fabelwesen.
    »...gehört heute einem Ägypter«, sagte er. »Er hat es 1978 für dreißig Millionen Dollar gekauft und für etwa hundertundfünfzig Millionen renovieren lassen.«
    Wiking nickte. Sein Backenbart glänzte intensiv rötlich. Johanna fragte sich unwillkürlich, ob er mit einer Tönung nachgeholfen hatte. »Vergoldete Wasserhähne und sehenswerte Antiquitäten«, sagte er. »Märchenhafter Luxus. Man fühlt sich hier im Ritz wie im Paradies.«
    Amery lächelte. »Ernest Hemingway läßt grüßen.«
    »Bitte?« fragte Wiking perplex.
    »Hemingway. Sie wissen schon. Der amerikanische Schriftsteller mit dem Faible für Spanien, ganz berühmter Mensch. >Der alte Mann und das Meer<. >Wem die Stunde schlägt<.«
    »Ich... äh... ich weiß, wer Hemingway ist. Äh... war«, meinte Wiking unbehaglich. »Aber mir ist offengestanden der Zusammenhang entgangen, auf den Sie da eben anspielten.«
    Amery grinste unverhohlen. Johanna grinste ebenfalls. Er hatte Stil, und er hatte Humor. Und es gefiel ihm offensichtlich, Wiking auf die Schippe zu nehmen. Sie hatte das Gefühl, diesen reichen alten Hollywoodtypen mögen zu können.
    »Nun, es ist so: Hemingway hat einmal gesagt: Wenn ich an das Paradies denke, fühle ich mich ins Ritz versetzt«, erklärte Amery nachsichtig. Er hob die Hand und winkte der Bedienung, die sich bislang, offensichtlich auf Amerys Anweisung hin, im Hintergrund gehalten hatte. Der Weinkellner erschien, schwarze Fliege auf weißer Hemdbrust. Er dekantierte Rotwein in eines der vor Amery stehenden Gläser. Amery verkostete ihn und nickte knapp. Er erteilte einem weiteren herbeigeeilten Kellner leise Anweisungen in fehlerfreiem Französisch.
    Johanna sah sich die Gläser und Gedecke auf dem weißschimmernden Damast genauer an. Schneckenzangen und — gabeln. Fischbestecke. Wiking hatte recht gehabt. Sie alle mußten essen und trinken, was auf den Tisch kam. Sie vergewisserte sich, daß ihr tintenblaues Abendtäschchen, das an einem dünnen Lederriemen hinter ihr über der Stuhllehne hing, noch da war. Sie bewahrte ihre Tabletten gegen die Übelkeit darin auf.
    Geschliffene Kristallgläser für Rotwein, Weißwein, Portwein. Das Licht der Lüster warf goldene Reflexe auf die polierten Platzteller und das schwere Tafelsilber. In der Mitte des Tisches die Dekoration, ein verschwenderisch üppiges Bouquet von kurzstieligen, lachsrosa Landrosen. Irgendein Mensch mit einem Hang zur Detailbesessenheit hatte sich die Mühe gemacht, die prachtvoll aufgeblühten Rosen mit künstlichem Tau zu besprenkeln. Johanna bemerkte, daß es sich um eine kaum duftende Sorte handelte, die das Aroma der Speisen nicht beeinträchtigte.
    Ein Kellner brachte Apéritifs, ein mit Soda verdünntes, nach Minze schmeckendes Getränk. Die Unterhaltung plätscherte dahin. Alles Geschäftliche wurde vorerst ausgeklammert. Amery versuchte, sich ein Bild über seine Gäste zu machen. Ein normaler Vorgang. Sie befanden sich auf dem Prüfstand. Schließlich wollte er ihnen zwei Milliarden geben.
    Als Amuse-gueules gab es winzige Kaviarblinis. Johanna aß ihres mit Todesverachtung. Anschließend wurde Salat serviert, eine Kalt-warm-Komposition. Johanna identifizierte das Fleisch auf dem Grünzeug als Kalbsbries. Ihr Magen protestierte, noch bevor sie etwas davon zu sich genommen hatte. Sie aß einen Bissen, kaute und schluckte rasch und spülte mit dem zur Vorspeise gereichten Wein nach. Wie aus dem Nichts materialisierte sich der Kellner hinter ihrem Stuhl und füllte ihr Glas neu.
    Die anderen sprachen dem Essen mit Appetit zu, bis auf Wiking, der Johannas Blicke einfing und ihr gequält zulächelte. Sie spürte Leos Augen auf sich und hatte den Eindruck, daß seine Schadenfreude sein Mitleid überwog. Helmberg blickte ständig verunsichert auf und

Weitere Kostenlose Bücher