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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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Cola, bis ihr aufgebrachter Magen sich beruhigte und ihr signalisierte, daß der morgendliche Anfall gnädig vorübergegangen war.
    »Was machst du da?« fragte er verständnislos.
    »Ich frühstücke.«
    »Warum gehst du zum Frühstücken nicht runter? Oder rufst den Zimmerservice und läßt dir was bringen?«
    »Ich hatte eben jetzt Hunger und Durst.«
    Er stand auf, zog seine Unterwäsche an und ging in den Salon, wo er sich auf den Sessel ihr gegenüber setzte. »Jetzt kannst du es mir sagen.«
    »Was sagen?«
    »Was so wichtig ist.«
    Sie starrte auf die Coladose in ihrer Hand. Er sah, daß ihre Hand plötzlich, von einer Sekunde auf die nächste, heftig zitterte. Er beugte sich zu ihr und hielt ihr Handgelenk fest. »Johanna. Sag es mir.«
    »Er wurde ermordet.«
    »Wer wurde ermordet?«
    »Klingenberg. Es war kein Selbstmord. Jemand hat ihn umgebracht.«
    »Das ist nicht dein Ernst.«
    »Mein voller Ernst.« Sie stellte das Cola weg und ging zum Fenster. Der Himmel war dunkel bewölkt, aber noch regnete es nicht. Vage dachte sie an den bevorstehenden Spaziergang im Bois de Boulogne. Ohne sich zu Leo umzudrehen, erzählte sie ihm mit ausdrucksloser Stimme von ihrer Begegnung mit ihrem Bruder. Von seinem Fund und der zwangsläufigen Schlußfolgerung, die sie daraus gezogen hatten. Leo schwieg. Sie kehrte ihm immer noch den Rücken zu und schaute aus dem Fenster. Die strenge Geometrie des Platzes wurde von der vierundvierzig Meter hohen Vendôme-Säule beherrscht, auf deren Spitze Napoleon thronte. Ein einsamer Sieger, auf der Höhe seines Ruhms verewigt, glorreich und unsterblich, weit weg von Waterloo.
    Sie wartete auf eine Reaktion, aber Leo ging ins Bad, ohne etwas zu sagen. Als er nach einer Viertelstunde zurückkam, war sein Gesicht von der Dusche gerötet, die Haare naß und glatt zurückgekämmt. Er zündete sich eine Zigarette an, Anzeichen seiner Unruhe. Er rauchte selten vor dem Frühstück. »Du schließt dabei sicher die Möglichkeit aus, daß dein Bruder dich belogen haben könnte.«
    Sie antwortete nicht.
    »Na schön, das soll wohl ja heißen. Was macht dein Bruder jetzt? Wo ist er?«
    »Keine Ahnung. Jedenfalls keine genaue. Er wollte nach Holland, so schnell wie möglich. Ist das alles, was dir dazu einfällt?«
    Er hieb in die Luft. Asche flog von seiner Zigarette, fiel auf den Teppich. Wütend verteilte er sie mit dem nackten Fuß, trat sie in den Velours. »Verdammt, was erwartest du von mir? Was soll ich deiner Meinung nach dazu sagen? Oder tun? Ich kenne diesen Abschiedsbrief. Wenn du mich fragst, es war einwandfrei Selbstmord. Dein Bruder ist doch...«
    Er brach ab, als er ihre kühle Ablehnung spürte.
    »Woher kennst du den Brief?« fragte sie.
    Er zuckte die Achseln. »Wiking hat ihn mir gezeigt.«
    Natürlich, dachte sie. Warum auch sollte Jäger ihr allein eine Kopie zur Verfügung stellen?
    »Weshalb ziehst du so eine Schau ab?« Seine Stimme wurde drängend. »Bis jetzt deutet absolut nichts darauf hin, daß jemand ihn umgebracht hat. Außerdem, er ist tot, oder? Er wird dadurch, daß du dich verrückt machst, bestimmt nicht wieder lebendig.« Johanna fühlte, wie der Frieden und die Nähe, die Leos Körperwärme in ihr hervorgerufen hatte, zerbrachen. Sie wandte sich brüsk ab und ging ins Bad.
    Als sie zurückkam, war er bereits gegangen. Sie verspürte keine Lust, ihm und den anderen zu begegnen. Nicht eher als nötig. Sie holte ihr Notebook aus dem Koffer und setzte sich ans Fenster, das aufgeklappte Gerät auf den Knien. Nach einem langen Blick auf das Standbild Napoleons schrieb sie aus dem Gedächtnis Klingenbergs Abschiedsbrief nieder, Wort für Wort. Sie nahm jede Zeile einzeln in sich auf, versuchte, ihre Bedeutung zu ergründen, indem sie einzelne Formulierungen mit dem Trackball kursiv setzte oder unterstrich. Es war der Brief. Es mußte der Brief sein. Sie spürte, daß es so war. Nur der Brief konnte Zeichen enthalten, die auf Mord statt Selbstmord hindeuteten. Etwas anderes kam nicht in Frage. Harald Klingenberg selbst schied aus. Sein Körper war begraben und verweste. Sie fröstelte und zwang sich, die aufkommenden dunklen Gedanken an das Ding in dem Eichensarg zu verdrängen.
    Konzentriert trennte sie das Wahrscheinliche vom Unwahrscheinlichen, listete auf, was außer dem Brief noch an Greifbarem von Klingenberg übrig war. Das Zimmer, in dem er gestorben war, enthielt nichts mehr von dem, was zum Zeitpunkt seines Todes dort gewesen war. Seine Villa war bis auf

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