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Bankster

Bankster

Titel: Bankster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudmundson
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selbstgebackenen Brot zu schneiden, was ich widerspruchslos tat.
    Ich merkte, dass ich jedes Mal unwillkürlich ein wenig von ihm abrückte, wenn der Mann seine Hände bewegte, nur ein kleines bisschen, und ich fühlte, wie sich mein Hals zuschnürte. Er ist eigentlich Schreiner, hat zwischen seinen Vierzigern und Fünfzigern aber Ingenieur gelernt, als sein Rücken nicht mehr mitspielen wollte, und arbeitet seitdem in diesem Beruf. Er hat wahnsinnige Pranken, und als arbeitsloser Schwiegersohn muss ich mich vor ihrer Kraft in Acht nehmen.

20.11. – Donnerstag

    Meine Lebensroutine ist jetzt noch erbaulicher geworden, denn wenn Harpa nach Hause kommt, bin ich meist in der Stadt unterwegs. Ich bemerkte an mir immer wieder Anzeichen, dass es mir unangenehm war, Harpa zu Hause zu empfangen. Wenn ich ihre Schritte im Treppenhaus gehört habe, bin ich vom Sofa aufgesprungen, habe den Fernseher ausgeschaltet oder das Buch versteckt und »Hi!« gerufen, sobald die Tür zufiel, und gehofft, dass meine kaum benutzte Stimme nicht versagt. Alles war noch genau wie am Morgen, als Harpa die Wohnung verlassen hatte: Das Bett genauso ungemacht, nur ich lag nicht mehr darin, die gleichen Gläser und Teller in der Spüle und der Spülmaschine, die gleichen Ablagerungen in der Badewanne und der Staub auf den Fensterbänken … Während sie ihren Mantel auszog, bin ich in die Küche gerast und habe einen Apfelrest und Verpackungsmüll weggeworfen oder eine halbleere Kekspackung weggeräumt und schmutzige Gläser und Tassen und vielleicht auch einen Teller in die Spüle gestellt und sie dabei gefragt, wie ihr Tag war: »Ganz großartig, diese Kinder sind so wunderbar«, und ich bekam Angst davor, ihren Tag dadurch zu entwerten, dass ich es war, der zu Hause auf sie wartete, weder großartig noch wunderbar.
    Ich glaube, Harpa will, dass ich mich wie ein Mann um unsere Wohnung kümmere, wie ein Mann, der keinen Job hat und auch kaum auf der Suche nach einem ist, ich glaube, dass sie sich in Sachen Hausarbeit zurückhält, um mir die Gelegenheit zu geben, etwas zu tun, damit ich nicht völlig nutzlos zu Hause herumhänge, während sie arbeitet und danach ruhig und voller Zärtlichkeit wieder nach Hause kommt, mich umarmt und trotz des ganzen Mülls und der dicken Luft hier drinnen küsst.
    Kaum etwas ist erbärmlicher, als die Enttäuschung im Gesicht seiner Liebsten zu sehen, umrahmt von den eigenen Händen und blondem Haar.
    Es ist 17:49 Uhr. Harpa ist wahrscheinlich schon zu Hause. Die ganze Woche haben ein sauberes Wohnzimmer und eine saubere Küche auf sie gewartet, ein gemachtes Bett und eine menschenleere Wohnung. Die Wanne hat immer noch ihren Schmutzrand, und die Fensterbank ist noch staubig, aber wer weiß – vielleicht nehme ich ja morgen einen Lappen in die Hand.

21.11. – Freitag

    Die Flutwelle ist vorüber. Die Wassermassen sind noch nicht komplett ins Meer zurückgeflossen, und das ganze Ausmaß der Zerstörung ist noch nicht abzusehen. Nein, keineswegs – zum Glück. Es gab keine Flutwelle, die jetzt auf dem Rückzug ist, sonst würde ich kaum hier stehen und diese klobigen Buchstaben aus der Dunkelheit saugen, hier am Meer, wo ich immer wieder den Blick hebe und die Lichter von Keflavík sehe, im Südwesten über dem Meer – in Richtung New York sehe, wo die Flutwelle, die es nicht gab, ihren Ursprung hatte.
    Später
    Bei meinem heutigen Spaziergang habe ich angefangen, über die Bankenpleite und die wirtschaftliche Situation nachzudenken, und meine Gedanken waren so schnell und zügellos, dass ich durch die Stadt und den ganzen Weg bis zur Küste im Süden Reykjavíks marschiert bin – nur der Atlantik konnte mich stoppen. Ich stand lange im Dunkeln auf dem Küstenkamm. Das Notizbuch steckte an seinem Platz in der Jackentasche.
    Als ich schließlich nach Hause kam, die Zehen taub vor Kälte, kochte Harpa gerade. Sie rief »Hi«, aber ich antwortete nicht. Der Geruch erinnerte mich an alte Zeiten, und ich liebäugelte mit der Selbsttäuschung, mir vorzumachen, dass ich von der Arbeit nach Hause komme, dass wir beschlossen haben, heute etwas früher Schluss zu machen, zu kochen und genüsslich über uns und die Zukunft zu sprechen. Ich bückte mich und tat so, als würde ich meine Tasche ablegen und dort an die Wand lehnen, wo sie wirklich klaffend leer stand, zog die Schuhe aus und hängte den Mantel auf. Ich ging auf direktem Weg in die Küche und begrüßte Harpa mit einem zärtlichen Kuss. Nahm Mineralwasser

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