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Bankster

Bankster

Titel: Bankster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudmundson
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Teich zu beobachten und wie sich die Grauweide am anderen Ufer der Wasseroberfläche entgegenreckt oder alte Männer sich mit Eichhörnchen unterhalten und sie für ein bisschen Gesellschaft mit Nüssen füttern, dass ich es großartig fand, dort auf einer der vielen einfachen Bänke am Teichufer zu sitzen und darauf zu warten, nach Hause zu kommen.

24/3 – Dienstag

    Ich konnte erst schlafen, nachdem ich Harpas Kissen und Decke genommen, zusammengeknüllt und in den halbleeren Kleiderschrank gestopft hatte. Anstatt zu verfliegen, ist ihr Duft im Bettzeug mit der Zeit stärker geworden. Er hat meine Gedanken auf unangenehme Bahnen gelenkt und mich wach gehalten. Deshalb konnte ich in dieser Nacht wie ein Seestern mitten auf dem Bett liegen, schön müde, nachdem ich ein halbes Buch gelesen hatte und darauf wartete, zu verschwinden. Zwischen Schlaf und Wachen, in diesem fieberhaften Limbus, hatte ich plötzlich einen weit zurückliegenden Morgen vor Augen: Ich war nicht älter als neun Jahre, als ich in meiner Thundercats-Bettwäsche aufwachte, auf den Knien zum Fenster kroch, den Vorhang anhob und mir die Sonne wie ein heißer Windstoß ins Gesicht strahlte: ein ruhiger und freundlicher Sommermorgen am Fjord. Ich sprang aus dem Bett und zog den Liverpool-Trainingsanzug an, grasgrün an den Knien und vorne an den Ärmeln. Ich lief aus dem Zimmer und rutschte auf Socken in die Küche und in Mamas Arme. Sie hat Brot getoastet und für mich bestrichen, eins mit Schokoladencreme, das andere mit Käse und Kaviar aus der Tube. Ich machte immer wieder das Milchglas voll. Wir haben uns unterhalten, aber meine Erinnerung war lautlos, ich sah nur die Lippen, die sich bewegten, und manchmal ein Lächeln. Es dauerte damals lange, bis ich satt wurde, aber als ich es an diesem Morgen endlich war, lief ich in den Flur, zog im Sitzen die Schuhe an und klemmte den Fußball unter den Arm, rief »Tschüss«, bevor ich die Tür hinter mir zuknallte, ich musste nicht sagen, dass ich runter zum Schmiedegelände laufe. Aber als die Tür zufiel, war nicht mehr Sommer draußen, sondern tiefer Winter, und ich war nicht mehr neun, sondern dreizehn. Statt des Balls hatte ich das Snowboard unterm Arm und war auf dem Weg auf den Berg, stand still und schien Mut zu sammeln. Wegen des Wetters, Schneetreiben. Das Dasein völlig farblos, nur Licht und Schatten, Schnee und graue Formen an den Stellen, wo Bäume, Häuser und Fahrzeuge unter Schneewehen verschwunden waren. Der Wind blies mir Eiskristalle ins Gesicht. Sie schmolzen, taten sich zusammen und liefen über meine Wangen, ich erschrak und setzte mich hellwach auf. Ich rieb mir übers Gesicht und wunderte mich über die Umgebung, hatte das Gefühl, aus einem langen Schlaf aufzuwachen, genauer gesagt aus einem sechzehnjährigen, und konnte kaum glauben, dass ich mich in der Wohnung befand, die ich mit Harpa gekauft hatte, konnte nicht glauben, frisch verlassen worden und allein zu sein, es gab nichts, das mir Gewissheit verschaffte, und ich dachte, alles nur geträumt zu haben – ich wollte alles in seiner ganzen Tragweite bezweifeln, bis ich schließlich aufstand und den Kleiderschrank öffnete, der eigentlich Harpas sein müsste, und mich dieser tückische Duft umschlang, wie eine Umarmung.
    Ich beschloss, das Einschlafen gar nicht erst zu versuchen, und zog mich an. 04:48 Uhr stand in leuchtend roten Ziffern auf der Backofenuhr. Ich zog Schuhe und Mantel an, setzte Harpas Pelzmütze auf, rannte die Treppe runter, als würde das Haus lichterloh brennen, und lief durch die Eiseskälte in Richtung Süden.
    Eine knappe halbe Stunde später war ich im Studentenviertel angekommen. Trotz der Dunkelheit und des rötlichen Laternenlichts war ich mir sicher, dass die Wohnhäuser mit den flachen Dächern so aussahen, wie ich sie in Erinnerung hatte, noch fast genauso wie früher: Die Dachvorsprünge noch strahlend weiß, die steilen Dächer rot … Die einfachen, kniehohen Lattenzäune waren noch an ihrem Platz und lugten blau aus den Schneehaufen auf den Rasenflächen hervor, und mein altes Wohnzimmerfenster im Erdgeschoss war zwischen den Glasscheiben immer noch beschlagen. Ich guckte eine Weile durch dieses Fenster und versuchte, mich selbst beim Rausschauen zu entdecken, vielleicht als ich im Hemd an einem Wintermorgen über die Zukunft nachdachte, herauszufinden versuchte, ob ich mich in einen Masterstudiengang stürzen oder das Studium ausklingen lassen und einen Job als Fußsoldat bei der Bank

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