Bankster
nichts zu erinnern. Als ich die Treppe hoch und über die Glasbrücke ging, überkam mich eine ganz eigene Ruhe, ganz losgelöst von meinen Gedanken. Mein Körper tat so, als würde er nach unerträglich langer Abwesenheit nach Hause kommen, und da er es sich erlaubte, alle Muskeln zu entspannen, musste ich gleich in die Cafeteria gehen. Wir saßen zu viert dort, da es weder Mittags- noch Kaffeezeit, sondern bloß eine Zwischenzeit war. Ich schloss mit dem Mädchen an der Theke einen sofort wirksamen Vertrag ab, kaufte eine Zehnerkaffeekarte. Ich fühlte mich unglaublich wohl, so warm und ruhig, und das Sonnenlicht schien so hell durch die Fensterscheiben, man konnte es fast schon spüren, und ich musste an den kommenden Sommer denken. Da war es vielleicht zwanzig Minuten her, dass ich draußen in der Sonne gestanden und mich dem Frühling geöffnet hatte. So schnell kann es gehen.
Ich habe mir einen weiteren Kaffee geholt und bin mit dem randvollen Becher langsam zurück zum Tisch gegangen. Bevor ich mich nach vorne beugte und den ersten Schluck trank, sah ich durchs Fenster ein blondes Mädchen von hinten. Sie stand am Eingang und sprach mit einem rauchenden Kerl. Ganze vier Sekunden lang war ich sicher, dass dort Harpa stand, von dem Augenblick an, in dem ich sie dort stehen sah, bis sie das Gewicht von einem auf den anderen Fuß verlagerte, war ich mir sicher. Es war keine große Bewegung, nur eine winzige Bewegung mit der Hüfte und einem Fuß, aber groß genug, um zu erkennen, dass es keineswegs Harpa war, dieses Mädchen hätte genauso gut schwarze Haare und dicke Waden haben können, so unähnlich war es Harpa nach der Gewichtsverlagerung.
Langsam drückt der Kaffee auf die Blase. Ich werde auf die nächste Toilette gehen, gleich hier um die Ecke. Es wird sicher ein besonderes Gefühl sein, dort allein auf den weißen Fliesen zu stehen und in den Spiegel zu sehen. Ich weiß nicht, wann Harpa und ich das dort zuletzt gemacht haben – das gemacht haben? Harpa und ich haben ein paarmal auf dieser Toilette gefickt, anders kann man es nicht nennen, vor allem nicht »das«. Anfangs haben wir noch vor Lust gestöhnt und uns im Spiegel in die Augen gesehen, die Lippen wie zugetackert und die Nasenflügel weit aufgebläht, aber als die Spannung sank und der Sex immer länger wurde, haben wir beschlossen, unsere Toilettenausflüge in der Bibliothek eine gewisse Zeit ruhen zu lassen. Die Pause dauert bis heute an.
29/3 – Sonntag
Das war wohl das Aus fürs Café Mokka. Ich kann mich dort erst wieder blicken lassen, wenn ich durchs Alter unkenntlich geworden bin.
Ich war fest davon überzeugt, dass Harpa zur gewohnten Zeit eintreffen würde. Als sie nicht auftauchen wollte, ist mir klar geworden, dass wir in letzter Zeit ziemlich unpünktlich waren und in den letzten Wochen absolut keine feste Zeit mehr gehabt hatten. Mit der leeren Tasse vor mir fiel mir die Entscheidung schwer, ob ich einen zweiten Kaffee nehmen und und weiter warten oder mich damit zufriedengeben sollte, dass sie auch später nicht mehr kommen würde. Ich fühlte mich dort ganz gut aufgehoben, einige unterhaltsame Gespräche waren im Gange und niemand schien mich dort allein auf der langen Bank zu bemerken.
Am Tisch genau gegenüber saßen vier Männer, die ich schon ein paarmal gesehen hatte. Sie waren immer laut und kritisierten alles. Ich stellte mich auf ihre Wellenlänge ein, hörte ihnen zu und fühlte mich nach einer Weile unglaublich schlecht. Zuerst dachte ich, dass sie einfach nur alles falsch verstehen, aber schnell wurde ihre Dummheit unverzeihlich, und es war schlimm, mir vorzustellen, dass auch noch andere ihnen zuhören könnten. Es spielte keine Rolle, welchen Unsinn sie am Anfang von sich gegeben hatten, deswegen bin ich nicht aufgestanden, das tat ich erst, als ich den Mann, der am nächsten bei mir saß, sagen hörte: »Richtig, genau. Aber habt ihr schon das Neuste gehört, Jungs? Ich habe es diese Woche gehört, und es ist teuflisch gut, gut und wahr. Ihr kennt sicher das Wort Gangster , oder, dieses gute alte? Aber habt ihr auch schon mal was vom Bankster gehört? Nein? Jæja, das bedeutet natürlich genau dasselbe. Teuflisch gut! Dieser ganze maßlose Irrsinn, Jungs …«
Ich stand so ruhig wie möglich auf, um nicht das Tischchen vor mir umzustoßen oder meinen Sitznachbarn beim Kaffeetrinken zu stören. Das gelang mir auch, aber meine Wut hatte sich in Bewegung gesetzt, und die beiden kurzen Schritte bis zu diesem
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