Bannkrieger
versehene Pergamentrolle entgegen.
»Wusste gar nicht, dass du inzwischen lesen kannst«, raunte Alvin ihm zu, ohne die Lippen zu bewegen, als Rumol das entrollte Schriftstück zu studieren begann.
»Ach was«, stichelte Rogge von der Seite. »Diese Kerle sehen sich doch alle nur die Siegel an. Ich bin mal mit meinem eigenen Steckbrief in eine Stadt hinein- und wieder herausmarschiert, ohne dass eine der Wachen Verdacht geschöpft hat.«
Rogge, der noch vor wenigen Tagen beim Anblick einer gefolterten Bäuerin erbrochen hatte, schnitt natürlich nur fürchterlich auf. Jedermann wusste, dass er längst noch nicht genügend angestellt hatte, um sich einen eigenen Steckbrief verdient zu haben. Mehr als die Rute des eigenen Vaters hatte er nie zu spüren bekommen.
Rumol tat indessen so, als würde er keine der Frotzeleien hören. Nachdem er lange genug auf den Geleitbrief gestarrt hatte, sah er streng auf und fragte laut: »Ihr stammt also aus Kroge?«
»Sind dort geboren und niemals weiter als bis zum nächsten Dorf gekommen«, versicherte Alvin launig. »Das hier ist unser erster Markt in Greifenstein. Unsere Schwester ist krank, deshalb müssen wir sie vertreten.«
Rumol wirkte nicht, als wäre ihm nach Lachen zumute. Erneut steckte er die Nase in die Pergamentrolle und tat so, als würde er Alvins Angaben überprüfen.
»Was hat das alles zu bedeuten?«, fragte er, ohne dass ihn sonst jemand in ihrer Nähe hören konnte. »Hängt das mit den Gerüchten zusammen, die überall kursieren? Dass die Grenze brennt und die Jadeträgerin überfallen wurde?«
An Rumols Mundwinkel saß eine kreisrunde Erhebung, die bei jeder Lippenbewegung zu zuckendem Leben erwachte, weshalb man ihn früher gerne Warze gerufen hatte. Sicher war er der Stadtwache beigetreten, damit ihn niemand mehr derart respektlos zu verspotten wagte. Vielleicht hätte er deshalb auch gern auf Besuch aus der Heimat verzichtet, auf jeden Fall brach er darüber nicht gerade in Jubelgeschrei aus.
»Glaub mir, es brennt noch sehr viel mehr als nur die Grenze«, antwortete Alvin.
Rumols Hautverwerfung zitterte, obwohl er kein einziges Wort sprach. Ein feuchter Glanz überzog seine Augen, während er das Pergament zusammenrollte.
»Ich führe hier ein gutes Leben«, sagte er mit plötzlicher Entschlossenheit. »Mit euren Plänen will ich nichts zu tun haben.«
Mit dieser Antwort hatte Alvin nicht gerechnet, trotzdem überkam ihn eine tiefe Ruhe, während Rogge nervös auf der Sitzbank hin und her rutschte. Ein kaltes Lächeln auf den Lippen, beugte sich Alvin auffällig weit zu Rumol hinab.
»Jetzt hör mal gut zu, Warze «, sagte er mit eindringlichem Unterton. »Dein Vater, drei deiner Brüder, vier Onkel und ich weiß nicht wie viele deiner Vettern sind mit halb Iskan auf dem Weg hierher. Was auch immer hier geschieht, sie werden auf jeden Fall davon erfahren. Es liegt also völlig in deiner Hand, welchen Eindruck deine Familie in den nächsten Tagen von dir gewinnen wird.«
Rumol hielt seinem Blick stand, doch seine Warze tanzte inzwischen so hektisch, als wollte sie ihm jeden Augenblick aus dem Gesicht springen. Die Hellebarde mit beiden Händen fest umklammert, trat er einen Schritt zurück und bellte: »Runter vom Bock! Ich muss euren Karren nach Waffen und Schmuggelgut durchsuchen!«
Alvin und Rogge sprangen wie befohlen vom Kutschbock.
Auf anderen Wagen ihres Trosses wurde die gleiche Prozedur durchgeführt. Rumol gab sich alle Mühe, die Durchsuchung ganz normal aussehen zu lassen. Er stellte unter der Plane alles auf den Kopf, doch dem Flickenhaufen, der hinter der Sitzbank lag, widmete er kaum mehr als einen flüchtigen Blick. Dank der Geleitbriefe wären sie auch in die Stadt gekommen, ohne einige der Posten zu kennen. Trotzdem war es gut, dass sie Rumol getroffen hatten.
»Wie lange dauert dein Wachdienst?«, wollte Alvin wissen, als er den Wink zur Weiterfahrt erhielt.
»Bis kurz nach Sonnenuntergang«, gab der Posten unsicher zurück.
»Gut, trommle dann alle iskandischen Wachen zusammen, derer du habhaft werden kannst. Wir treffen uns bei meiner Schwester! Ich weiß nicht genau, wo sie wohnt, aber sie arbeitet als Wäscherin, da sollte sie nicht schwer zu finden sein.«
»Unke?«, fragte der Posten und errötete dabei.
»Genau die«, antwortete Alvin misstrauisch. »Was ist los? Hast du sie etwa geschwängert und danach sitzen lassen?« Seine letzten Worte kamen ihm lauter als beabsichtigt über die Lippen.
Rumols Stirn war
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