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Bannkrieger

Bannkrieger

Titel: Bannkrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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ist?«
    Das einfallende Licht schwächte sich in jenem Augenblick ab, da seine Worte durch den Thronsaal hallten. Normalerweise hätten ihm die Wachen für seine Unverschämtheit die stumpfen Enden ihrer Hellebarden in den Rücken gerammt, doch der sich ausbreitende Schatten wurde immer dunkler. Selbst Dagomar blickte verwirrt zum Fenster hinaus, um zu sehen, warum sich die Sonne verfinsterte.
    In dem einsetzenden Schweigen wurden ängstliche Rufe hörbar, die nicht nur unten im Burghof, sondern in der ganzen Stadt erklangen. Gleichzeitig ertönte ein tiefes Summen, das nach einem in Aufruhr geratenen Bienenstock klang, nur wesentlich lauter und durchdringender, als wären es Tausende von ihnen.
    »Eure Majestät!«, rief der Gongschläger aufgeregt, nachdem er an die Arkade gelaufen war. »Das müsst ihr euch ansehen!«
    Als wäre dies ein Signal, stürzten weitere Diener und auch einige Adlige zu den Bogenfenstern, um dort, Laute des Entsetzens ausstoßend, ins Freie zu starren. So weit oberhalb der Stadt, wie sich der Thronsaal befand, konnte selbst Rorn von seinem Platz aus erkennen, was draußen vor sich ging.
    Dichte Schwaden fliegender Insekten bedeckten den Himmel in so großer Zahl, dass das helle Rund der Sonne komplett hinter ihren schwarzen Leibern verschwand. Ganz Greifenstein war von einer Glocke flirrenden Geschmeißes umgeben, das zweifellos in einer Sturzflut über die Straßen hereingebrochen wäre, hätte es nicht irgendetwas daran gehindert. Immer wieder wogten die Schwärme herab, scheiterten aber an einer unsichtbaren Barriere, die sich über der Stadt wölbte und an der sie in großer Zahl verglühten. Unterhalb der allumfassenden Finsternis entstand ein Netz grell aufleuchtender und rasch wieder verlöschender Lichtpunkte, dort, wo das Geschmeiß auf den Bannkreis traf.
    Der Herrscher war von seinem Thron aufgesprungen, um sich selbst einen Überblick zu verschaffen. »Unser Jadeschild!«, rief er dann erleichtert. »Welch böser Zauber auch dort draußen wirken mag, die Kraft des Schwingenschilds ist für ihn nicht zu überwinden.« Er klang, als wäre seine Überzeugung unerschütterlich.
    Selbst Ruppel hatte es nicht mehr auf seinem Platz gehalten. Geistesabwesend hatte er Grimmschnitter in die Hände des neben ihm stehenden Priesters gedrückt und war mit der Jadeträgerin an die Arkade geeilt. Hätte er seine Neugier nur einige Herzschläge länger bezähmt, hätte er gesehen, wie der in Stahl gefasste Jadesplitter jäh aufglühte.
    Eine Woge der Genugtuung flutete durch Rorns Körper.
    Grimmschnitter! Das Schwert hatte ihn also doch nicht verraten, im Gegenteil, es hatte ihn sogar auf dem schnellsten Weg dorthin gebracht, wohin er die ganze Zeit über gewollt hatte, ins Zentrum der Macht, in den Thronsaal derer von Greifenstein, zu dem ein einfacher Schmied wie er – selbst als Bannkrieger – keinen Zutritt hatte.
    Wieder zuckten kalte Flammen über den geschliffenen Stahl. Der Jademeister, der die Waffe weit von sich streckte, starrte angewidert auf das knisternde Frostfeuer, bis zu dem Moment, da eine der Verästelungen höher als die anderen anwuchs und ihm tief in den Handrücken stach.
    Unter leisem Aufstöhnen stieß er die Waffe von sich. Ob aus Furcht oder aus einem Reflex heraus, war einerlei. Wichtig war nur, dass sie Rorn entgegenflog. Noch ehe einer der irritierten Wächter reagieren konnte, sprang ihr der Bannkrieger entgegen – flach, über den glatten Marmorboden hinweg.
    Einem anderen hätte die umherwirbelnde Klinge wohl das Gesicht zerschnitten, ihm aber fuhr sie zwischen die Handgelenke, und zwar so, dass sie seine Fessel durchtrennte. Was, wenn nicht sein Bann und die Verbundenheit zu Grimmschnitter, hätte einen so präzisen Hieb bewirken können?
    Der bläuliche Schimmer, der die Klinge umgab, wich vor Rorn zurück. Und wo er ihn doch berührte, fühlte der Krieger eher ein sanftes Kitzeln denn ein brennendes Stechen. Rorns Hände prickelten jedoch unangenehm, als das aufgestaute Blut wieder in seinen Adern zu zirkulieren begann. Trotz eines leichten Taubheitsgefühls in den Fingern umfasste er Grimmschnitter mit festem Griff und federte in die Höhe.
    Statt sich auf ihn zu stürzen, starrten ihn die ringsum versammelten Wachen aus weit aufgerissenen Augen an, in denen grenzenlose Überraschung lag. Seit seiner Gefangennahme hatte Rorn keinen einzigen Fluchtversuch unternommen, die meiste Zeit sogar nur dagesessen und stumm vor sich hingestarrt. Wie er sich nun

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