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Bannkrieger

Bannkrieger

Titel: Bannkrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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Jadeamulette, mit denen die barosischen Priester ihre Vorherrschaft errungen hatten.
    »Völker erheben sich und gehen wieder unter«, flüsterte Hatra leise. »Das ist der Lauf unserer Welt.«
    Die Hexe wusste, wovon sie sprach, denn sie hatte schon ganze Kulturen mit eigenen Augen versinken sehen. Weil es den Göttern so gefallen hatte. Oder ganz einfach, weil jede Rasse den Keim des eigenen Niedergangs in sich trug. So genau ließ sich das nicht sagen. Bloß in einem war sich die Alte vollkommen sicher – darin, dass auch der Untergang der Menschheit nur noch eine Frage der Zeit war.
    Die ersten Anzeichen dafür hatte sie schon vor Jahrzehnten im Aufstieg der Jadepriester gesehen. Arroganz und rücksichtsloses Machtstreben – es waren immer wieder die gleichen Dinge, die die Völker ins Verderben führten. Und je größer die Macht war, die einer in Händen hielt, desto tiefer gähnte der Abgrund, an dessen Kante er entlangwandelte. Hatra hatte diese bittere Lektion am eigenen Leibe zu spüren bekommen, zu einer Zeit, da sie in marmornen Palästen auf seidenen Laken genächtigt hatte anstatt auf einem Strohlager in einer klammen Holzkate. Dabei hatte sie nicht einmal mit kraftvollen Machtspeichern wie den Amuletten hantiert oder mit Bannkreisen, die so stark in die natürliche Ordnung eingriffen, dass sie …
    Eine Ahnung vergangener Macht, die ihre magischen Sinne streifte, schreckte die Hexe aus ihren trüben Tagträumen auf. Ihre unruhig umherwandernden Pupillen erstarrten, als sie den Blick wie in weite Ferne richtete. Zunächst hatte sie angenommen, dass der kalte Hauch von dem Kristallglas auf dem wackligen Regal ausgehen würde, doch als sich Hatra konzentrierte, stellte sie fest, dass es eine neue Aura war, die von draußen hereinwehte.
    Sie spürte die Ausstrahlung eines Wandlers der niederen Art, die eines Getriebenen, gleichermaßen von Wut und Angst erfüllt, aber auch von grenzenloser Mordlust. Eines verwirrten Geistes, der für kurze Zeit starke Macht in Händen gehalten hatte.
    Oben auf dem Dach erhoben sich die Raben. Hatra konnte ihren Flügelschlag durch den Rauchfang hören.
    Sie war also nicht die Einzige, die das Unheimliche spürte. Ob es wohl dieser Zerbe war, der sich durch den Sumpf zu ihr hindurchkämpfte? Kehrte diese widernatürliche Kreatur tatsächlich zurück, um sich an ihr zu rächen? Oder den Teil seines Körpers einzufordern, der dort drüben im Regal schlummerte?
    Ächzend erhob sich die Hexe vom Schemel und sah sich in ihrer kleinen Hütte um. Viel war es nicht, was sie zurücklassen würde, falls der Weltenzehrer tatsächlich beschlossen hatte, ihr den Weg ins Reich der Toten zu ebnen. Sie hatte schon vor langer Zeit ein einfaches Leben in karger Umgebung gewählt. Eines, das die unsichtbaren Elemente nicht herausforderte, damit sie auf sicheren Pfaden wandelte und nicht am Abgrund entlangbalancierte.
    Wohlriechende Kräuterbünde, die zum Trocknen im Rauchfang hingen, ein großer Kessel und mehrere Regale voller Tiegel und Töpfe, die seltene Ingredienzien enthielten – das waren ihre einzigen Schätze. Auch Kupferringe, Schlangenzähne und Greifenklauen befanden sich darunter, doch von Schattenjade hielt sie sich fern, obwohl ihr die Steine schon mehrmals aus Dankbarkeit angedient worden waren.
    Hatra schlurfte zu dem Schattengespinst, das tatsächlich begonnen hatte, sich um sich selbst zu winden. Sie zog das schwere Gefäß aus dem Regal und presste es fest gegen den Leib, damit es nicht ihren Händen entglitt. Vielleicht ließ Zerbe sich ja besänftigen, wenn sie ihm gab, was er vermisste.
    Dass ihn das womöglich stärken könnte, schreckte Hatra nicht. Erst einmal entfesselt, ließ sich die Macht, für die der Lederhäuter stand, ohnehin nicht mehr aufhalten. Hatra hatte Rorn nur geholfen, weil sie ihn und die anderen Moorbauern mochte, aber das änderte nichts an den dunklen Wolken, die sich am Himmel zusammenzogen und die niemand, auch sie nicht, am Abregnen hindern konnte.
    Einige tote Raben, die kopfüber von der Decke hingen, pendelten hin und her, als Hatra sie mit der Schulter anstieß. Die ausgebreiteten Schwingen malten groteske Schatten an die Wände, während sich die ausgedörrten Vögel knarrend an den Lederbändern drehten, die von ihren Krallen in die Höhe führten.
    Die Vordertür knirschte und quietschte, als Hatra ins Freie trat, doch das störte die Hexe weit weniger als der eisige Wind, der ihr kalt ins Gesicht schnitt.
    Seit dem Ende der

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